Illusion - das Zeichen der Nacht
Äußeres attraktiver oder auffälliger zu gestalten.
»Wir sind eigentlich keine Touristen«, erklärte Alex mit einem ungezwungenen Lächeln. »Wir wollten uns in der Bibliothek der Stiftung ein ganz bestimmtes Buch ansehen, ein einzigartiges Werk aus dem 14. Jahrhundert, das sogenannte ›Buch der Schöpfung‹.«
Alex’ Stimme hatte auf einmal etwas Honigsüßes, Unwiderstehliches. Die Frau blinzelte, ihre dick getuschten Wimpern wippten auf und ab. Es war offensichtlich, dass ihr der Titel des Buchs bekannt war, auch wenn sie nichts dazu sagte. Stattdessen ging sie mit klappernden Absätzen zu dem altmodischen Katalog ganz hinten im Raum.
Sie zog die oberste Schublade auf, und während sie eine Karteikarte nach der anderen durchsah, wandte Jana sich Alex mit fragender Miene zu.
»So habe ich dich noch nie reden hören«, sagte sie leise. »Und du hast auch noch nie mit einer anderen Frau geflirtet, wenn ich dabei war.«
»So ein Quatsch, ich flirte doch nicht. Ich wende nur ein paar der Tricks an, die Nieve mir beigebracht hat, sonst werden wir gleich wieder weggeschickt.«
Jana verzog das Gesicht, fragte aber nicht weiter. Nieves Fähigkeiten als »Tricks« zu bezeichnen, passte nicht zu Alex. Normalerweise sprach er mit großer Achtung von dem, was er bei den Wächtern gelernt hatte. Was war bloß los mit ihm?
Die Angestellte kam mit einer vergilbten Karteikarte in der Hand zurück und heftete den Blick auf Jana. »Tut mir leid, das Buch, das euch interessiert, gehört zur Privatsammlung der Stiftung. Zu der habt ihr nur Zutritt, wenn ihr eine Sondererlaubnis der Forschungskommission vorweisen könnt.«
»Und bei wem müssen wir diese Erlaubnis beantragen?«, fragte Jana, verärgert über die Pingeligkeit der Frau.
Alex’ Augen blitzten sie böse an. Es war klar, dass er eine Strategie hatte, um den Widerstand der Bibliothekarin zu brechen, und nicht bereit war, sie sich von Jana vermasseln zu lassen.
»Wir wollen bloß etwas ganz Bestimmtes in dem Buch nachsehen.« Alex trug mit seiner Stimme noch dicker auf als vorher. »Das dauert höchstens eine Viertelstunde. Wir sind auf der Durchreise, wir haben keine Zeit, eine offizielle Erlaubnis zu beantragen und darauf zu warten, bis sie bewilligt wird. Sie wissen ja, wie diese Bürokraten sind.«
»Ja, ich weiß.« Die Frau sah einen kurzen Moment lang seufzend an die Decke, bevor sie sich wieder an Alex wandte. »Tut mir leid, aber Vorschrift ist Vorschrift, die habe nicht ich mir ausgedacht.«
»Natürlich nicht, aber niemand muss etwas von dieser kleinen Unregelmäßigkeit erfahren. Es handelt sich nur um ein paar Minuten, versprochen. Schließlich sind Bücher dazu da, benutzt zu werden, oder? Und das hier hat bestimmt schon lange niemand mehr aufgeschlagen. Es ist eine Schande, dass Stiftungen wie diese den wenigen Interessenten bloß Hindernisse in den Weg stellen, anstatt sie zu unterstützen.«
»Da hast du recht. Na gut, ich mache bei euch eine Ausnahme, ihr seid ja wirklich sehr interessiert. Ehrlich gesagt habe ich nie recht verstanden, warum dieses Exemplar nicht in der öffentlichen Loredan-Sammlung zugänglich ist. Schließlich ist es ein wirklich außergewöhnliches Objekt. Es als ›Buch‹ zu bezeichnen und zusammen mit den anderen im Katalog zu führen, hat fast schon etwas von einem Witz.«
Sie öffnete eine weiße Tür seitlich von ihnen und winkte sie zu sich. Alex und Jana beeilten sich, ihren in schwindelerregendem Tempo klappernden Absätzen zu folgen. Der schmale Gang, den sie entlanggingen, bog irgendwann abrupt ab und endete an einer Wendeltreppe.
Die Frau begann hinaufzusteigen. Jede Stufe stellte einen kleinen Kampf mit ihrem engen schwarzen Rock dar, der natürlich nicht dazu entworfen war, um damit solche Höhen zu erklimmen. Ab und zu drehte sie den Kopf suchend nach Alex um, und wenn sie seinem Blick begegnete, verzogen sich ihre Lippen zu einem strahlenden Lächeln.
Es war unglaublich. Die Stimme einzusetzen, um eine Angestellte dazu zu bringen, gegen die Vorschriften der Stiftung zu verstoßen, bei der sie arbeitete … Jana konnte es immer noch nicht fassen. Normalerweise wäre sie es gewesen, die ihre Fähigkeiten benutzt hätte, um in die Bibliothek zu kommen. Dazu hätten sie einfach gewartet, bis sie geschlossen war. Schließlich hatten sie beide Erfahrung darin, sich heimlich in Gebäude zu schleichen, zu denen sie eigentlich keinen Zugang hatten.
Doch diesmal hatte Alex sich nicht mit ihr abgesprochen,
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