Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
ungläubig an. Die Gesichtslosen traten erwartungsvoll vor den Altar. Der ganze Raum war erfüllt von dem Geraschel des grauen Stoffes, aus denen die Mäntel der Männer gemacht waren. Finsternis lauerte in allen Ecken und Nischen. Miray war sich sicher, nun den trostlosesten Ort auf der ganzen Welt erreicht zu haben.
Dazu herrschte hier eine eisige Kälte, die langsam in seine Finger kroch.
Die Gesichtslosen hatten sich in Bewegung gesetzt und kamen den Ankömmlingen auf halbem Wege entgegen. In einem Abstand von drei Metern blieben sie stehen, und Miray starrte die vier Männer unverhohlen an.
Sie trugen alle vier Mäntel aus grauer Seide. Der Stoff glänzte unangenehm im Zwielicht. Die Mäntel waren mit einem Symbol bestickt, das Miray sofort wiedererkannte. Es handelte sich um das Zeichen der Drachenhüter. Gleichzeitig stieg Ärger in dem jungen Prinzen auf. Wie konnte dieser Abschaum es wagen, dieses Zeichen auf ihrer Kleidung zu tragen?
In diesem Moment stieß Dari ihn sachte mit dem Ellenbogen an. Sie wollte ihn auf das Medaillon aufmerksam machen, das der eine Hüne um den Hals trug. Es war aus purem Kristall und glitzerte verführerisch in der zaghaften Helligkeit. Es baumelte an einer langen, silbernen Kette, deren Glieder Schlangen formten, die sich gegenseitig in den Schwanz bissen.
Der Stern mit den acht Spitzen im Kreis und den verschlungenen Ornamenten war wunderschön anzusehen. Jeder hier im Raum konnte spüren, welche Macht von dem Medaillon ausging. Miray fühlte einen Stich im Herz. Eine plötzliche Wärme breitete sich von dort aus, und jeder der Grauen Hexer versuchte einen Blick auf den Prinzen zu erhaschen.
Zu Mirays Verwunderung zog einer der Gesichtslosen eine kleine Schiefertafel aus seinem Gürtelbund. Ein anderer reichte ihm eine schneeweiße Kreide, die der erste entgegennahm. Dann schrieb er etwas auf die Tafel, die er an Miray weiterreichte.
Befangen nahm der Prinz sie entgegen, darauf bedacht, die Hand des entsetzlichen Wesens nicht zu berühren.
Ihr seid freiwillig zu uns gekommen, stand da in krakeligen Buchstaben. Und es war keine Frage .
Miray blickte Dari an, die die Worte ebenfalls gelesen hatte. Sie nahm die Tafel, löschte die Worte und nahm auch die Kreide, die der andere Hüne ihr reichte.
Wir wollen verhandeln, schrieb Dari darauf und reichte die Tafel dem ersten zurück.
Die Gesichtslosen machten sich nicht etwa die Mühe, die Worte zu lesen. Wie hätten sie das auch bewerkstelligen sollen, hatten sie ja keine Augen. Einer von ihnen wischte mit seinem grauen Ärmel die Worte einfach fort und nahm eine neue Kreide zur Hand, mit der er wieder auf die Tafel schrieb.
Als Miray sie überreicht bekam, stand da: Wir wollen nur den Prinz.
Unterdessen hatte sich Lucy, draußen vor den Toren des Saals, näher geschlichen und spähte an der Kante vorbei in den Raum. Man konnte nicht genau erkennen, was sich in der Mitte abspielte, da das Licht nicht ausreichte und die vielen Hexer die Sicht verdeckten. Rasch huschte Lucy wie ein Schatten in den Saal und versteckte sich hinter einer der Säulen. Ihr Blick wanderte zum Gewölbe hinauf. Die Decke war hier kaum verziert, und das hatte seinen Grund. Ein riesiges Gemälde schimmerte im schwachen Lichtschein. Es überspannte die gesamte Decke und zeigte aufschäumende Meereswellen, in denen sich weiße Einhörner tummelten. Die Farben waren bereits verblasst und einige Stellen abgebröckelt, aber man konnte immer noch erahnen, wie wundervoll das Fresko einmal gewesen sein musste.
Lucy huschte zur nächsten Säule und konnte Miray und Dari jetzt gut sehen. Dari schrieb soeben etwas mit Kreide auf eine kleine Schiefertafel. Vor den beiden standen vier Männer, die scheinbar keine Gesichter hatten. Lucy schauderte es.
Was immer zwischen den Anwesenden verhandelt wurde, ging völlig lautlos vonstatten. Nun entdeckte Lucy auch das Medaillon, das einer der Gesichtslosen um den Hals trug. Aber wie sollte sie da jemals herankommen?
Miray wurde langsam unruhig. Die Gesichtslosen wirkten gänzlich teilnahmslos, trotzdem wussten sie genau, was sie wollten. Miray wurde immer sicherer, in eine Falle getappt zu sein.
Die Kaiserin darf gehen. Wenn sie den Prinz hier lässt, wird ihr und ihrem Volk nichts geschehen, stand auf der Schiefertafel, die ihm der eine der vier nun reichte.
Dari sah Miray an, und plötzlich konnte er wieder ihre Gedanken hören, wie das schon einmal im Palast von Effèlan der
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