Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
um. Keine zehn Schritte entfernt, grub sich der Yspafluss seinen Weg durch Yspiria. Das angenehme Gurgeln der Stromschnellen hatte ihn in den Schlaf gewiegt. Seitdem er das Schwarze Buch heute Morgen in den Trümmern des Sternenturms gefunden hatte, hatte der König keine ruhige Sekunde mehr zugebracht. Es war also kein Wunder, dass er hier, im Gras liegend, eingedöst war.
Xergius bückte sich, hob etwas auf und reichte es Tahut.
„Das habt Ihr fallengelassen“, erklärte er mit undeutbarem Gesichtsausdruck.
Tahuts Blick fiel auf das kleine Lederbüchlein. Mit einer hastigen Bewegung riss er es seinem Berater aus der Hand und ließ es unter seinem dunkelblauen Wollmantel verschwinden.
„Wir reiten zurück“, befahl er dann. „Hier sind weit und breit keine Ashjafal zu sehen. Ich kann mir schon denken, wo die sind und hinter wem die herjagen.“
Beide stiegen in die Sättel ihrer Windpferde und folgten dem Flusslauf, bis zu den mächtigen Toren Shidabayras zurück.
*
Als Tahut sein weitläufiges Gemach betrat, waren gerade neue Gewitterwolken über dem Wald im Anmarsch. Blitze irrlichterten über den dunkelgrünen Baumwipfeln, und die Tiere waren verstummt. Die Regenzeit im 345sten Jahr des Drachen Algament hatte begonnen. Vermutlich würde das Wetter in den nächsten Wochen sogar noch schlechter werden.
Was hatten sich die beiden Mädchen nur dabei gedacht, gerade jetzt auszureißen!
In wenigen Tagen begann der neunte Mond dieses Jahres, und das Baumfest stand kurz vor der Türe. Nie hätte er für möglich gehalten, die Prinzessinnen könnten Nyasintas Brief so ernst nehmen. Aber auch ihn hatte die seltsame Nachricht schwer getroffen.
Tahut trat auf den Balkon hinaus, der beinahe die gesamte Ostseite umfasste und atmete die würzige Luft ein, die vor den Regenfällen aus dem Wald aufstieg.
Er musste an Miray denken. Er fragte sich, unter welchen Bedingungen sein einziger Sohn wohl groß geworden war und wie er auf die Tatsache reagieren würde, dass nicht Effèlan, sondern er sein Vater war. König Tahut von Shidabayra.
Mit einem missmutigen Seufzen, stieß er sich vom Balkongeländer ab und eilte ins Zimmer zurück. Er musste etwas unternehmen, und er wusste auch schon was!
Fünf Minuten später klopfte er an die Türe des Drachenfürsten.
Von Romec war gerade dabei, einen der Sprüche auswendig zu lernen, mit denen man einen herbeigerufenen Drachen stabilisieren konnte und ließ vor lauter Schreck das Buch fallen, das aus der Sammlung stammte, die Nyasinta ihm vererbt hatte.
Er tüftelte nach wie vor an der Möglichkeit herum, Jonkanur aus dem Drachenreich herbeizurufen. Auch ihm waren die Gewitterwolken aufgefallen, die sich über dem Wald von Yspiria zusammenzogen. Sein Plan war es, nach Dunkelwerden in den Wald zu gehen, und das Ritual dort noch einmal zu vollziehen. Die nötigen Utensilien hatte er sich bereits zurechtgelegt, und die Sprüche geisterten mehr oder weniger vollständig in seinem Kopf herum. Wenn der Blitz in einen Baum einschlug, waren die Folgen sicher nicht so verheerend, wie das letzte Mal im Sternenturm.
Es pochte noch einmal an die Türe.
„Von Romec! Seid Ihr zuhause?“
Nevantio blickte sich in seiner Kemenate um. Überall standen Phiolen und Kessel herum. Es roch nach Schießpulver und altem Fisch. Sicher war es keine gute Idee, den König hier zu empfangen.
„Einen Moment!“, rief von Romec und begann zumindest die Bücher unter das Bett zu stopfen. „Ich öffne Euch sogleich“, flötete er und kickte ein Glas voll Krötenaugen unter den Diwan in der Ecke. Dann warf er eine Decke über den Schreibtisch, auf dem sich allerlei unfertige Zaubertrünke stapelten und riss die Türe auf.
„Bitte nehmt es mir nicht übel, wenn es hier ein bisschen streng riecht“, erklärte Nevantio und verbeugte sich vor Tahut. „Aber ... mein neuer Düngerzusatz steckt in der letzten Entwicklungsphase.“
Tahut trat ein und schnupperte angeekelt. „Aha ...“, sagte er und warf einen schiefen Blick auf eine Batterie Glasröhrchen auf dem Bücherregal, aus denen ihm kleine, pelzige Tiere entgegenstarrten.
Nevantio fischte sie rasch vom Brett und warf sie in den Aborteimer.
„Es ist nicht nötig, Eure ... Utensilien vor mir zu verbergen“, erklärte der König mit ernster Stimme. „Ich weiß sehr genau, was Ihr hier treibt,
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