Im Abgrund der Ewigkeit
bitte dich! Pass auf Lilith auf!“
Kapitel 8
– Lilith und Johannes
1
I ch schlüpfte in den Poncho, schlang mir meinen Schal locker über das Haar und stülpte einen Hut darauf, bevor ich nach draußen ging und mich auf die Veranda stellte. Dort verharrte ich und blickte die Straße hinunter in die Dunkelheit. Der dauernde Schneefall hatte beinahe aufgehört, nur ein paar verlorene weiße Flocken segelten durch das Schwarz der Nacht – einsam, als hätten sie sich verirrt. Holz quietschte leise, Johannes bewegte sich wie immer fast geräuschlos. Er stellte sich neben mich und richtete seine Augen ebenfalls hinaus ins Nichts.
Ich vergaß alles um mich herum und wandte mich ihm zu. Johannes war groß, stark und das blauschwarze Haar, das unter seinem Hut hervorquoll, umrahmte ein Gesicht von einer unbeschreiblich männlichen Schönheit. Fast war ich versucht, die Hand zu heben und meine Fingerspitzen über seine Wangen fahren zu lassen. Ich wollte sichergehen, dass ein derartig perfekter Mensch existierte, für mich da war und mich auf meinem dunklen Weg begleitete.
Johannes schien meine Gedanken und Gefühle lesen zu können. Er legte den Arm um meine Schulter, drückte mich sanft und seine Stimme war ein tiefes beruhigendes Flüstern. „Ich bin so glücklich, dass ich hier mit dir zusammensein darf. Wir haben unsere Vergangenheit verloren und unsere Zukunft liegt irgendwo dort draußen verborgen. Aber wir haben uns. Und mehr werde ich nie brauchen.“
Ich zögerte mit meiner Antwort. Angst, Verzweiflung und grenzenlose Liebe zu Johannes kämpften in meinem Herzen. „Was immer auch geschehen wird“, sagte ich, „wir werden uns niemals trennen.“
Ich fühlte Johannes wie durch einen Schauer erzittern. Seine Augen verengten sich, der Griff seiner Hand, die beschützend auf meiner Schulter lag, verkrampfte sich.
„Was ist los, Johannes?“
„Mir war…“, setzte er an, dann schüttelte er den Kopf.
„Erzähl’s mir“, bat ich.
„Ich hatte den Eindruck, eine Stimme zu hören. Eine Stimme, die mich von weit her rief.“
„Und?“, fragte ich, „diese Stimme, gehörte sie einem Feind, oder einem Freund?“
Johannes dachte nur wenige Augenblicke nach. „Kein Feind.“
Ich zwang mir ein Lächeln ab. „Einen Freund können wir in der jetzigen Situation wirklich brauchen.“
Von der gegenüberliegenden Straßenseite drang ein leises Wiehern bis zu uns.
„Wir sollten nach unseren Pferden sehen“, sagte Johannes und wir stapften durch den Schnee, quer über die Straße, bis wir bei dem Stall ankamen. Johannes schob die Tür zur Seite und wir traten ein. Drinnen roch es nach frischem Stroh, es war warm, und das gemächliche Mahlen der fressenden Pferde hatte etwas Beruhigendes.
Johannes riss ein Streichholz an und entzündete den Docht einer Petroleumlampe, die auf dem Hackstock stand. Ihr gelbes Licht zauberte überlebensgroße Schatten an die weißgekalkten Wände.
Ich fand ein paar Feldrüben in einem Eimer, nahm sie heraus und begann, unsere Tiere damit zu füttern. Ihre harten haarigen Schnauzen kratzten sanft über meine Hand.
Johannes war in der Tür stehen geblieben, blickte hinüber zu den erleuchteten Fenstern, die das Haus von Gundula kennzeichneten. „Von hier aus hat man ein ausgezeichnetes Schussfeld“, stellte er fest.
„Das ist mir auch schon aufgefallen“, stimmte ich zu. „Wenn unser Besuch kommt, sollten wir uns strategisch günstig verteilen, damit wir ihn in die Zange nehmen können.“
„Das werden wir nachher mit Clement besprechen.“
Die Pferde hatten ihr Futter. Sie bewegten sich träge und zufrieden. Bald würden sie gänzlich zur Ruhe kommen. Ich goss Wasser in die Tränke nach.
„Durch die Tür kommt Kälte herein“, sagte ich mit leiser aber fester Stimme. Johannes drehte sich zu mir herum, seine gefühlvollen dunklen Augen ruhten auf mir und sein Jungenlächeln brach sich den Weg zur Oberfläche. Ohne sich von mir abzuwenden, schloss er die Tür und kam die wenigen Schritte zu mir zurück.
Er umarmte mich. Seine Nähe jagte mir einen Schauer über den Rücken.
„Wir wissen nicht, was der morgige Tag für uns bereithält, Lilith“, setzte er an.
„Sei still“, sagte ich und berührte seine Lippen mit meinem Zeigefinger, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Er nahm mir den Hut von Kopf und warf ihn achtlos in eine Ecke. Dann ergriff er zärtlich die vordere Seite meines Schals und legte ihn nach hinten über meine Schultern.
Ich
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