Im Angesicht der Schuld
«
» Gute Idee! Ich glaube, jetzt sehe ich aber besser mal nach Jana. Sie spielt nicht nur gerne an Computertastaturen herum, sie telefoniert auch liebend gerne. «
» Keine Sorge! Ich habe die Tastensperre gedrückt. «
Die Vorstellung entlockte mir ein Lächeln. » Sie denken wir k lich an alles. «
» Das hat Ihr Mann auch immer zu mir gesagt «, entgegnete sie stolz. Dann wurde ihr Blick traurig. » Wir vermissen ihn beide. Er war ein guter Chef. «
» Es ist schön, dass Sie das sagen. « Ich räusperte mich und nahm einen Schluck Tee. » Frau Lorberg, Sie erin ner n sich bestimmt an diese Barbara Overbeck. Sie war die Mandantin, die … «
Sie nickte. » Ich weiß. «
» Professor Kogler war Gerichtsgutachter bei einer Vate r schaftsklage, die sie angestrengt hat. Und er sagte mir, dass Gregor sie vertreten habe. Wissen Sie mehr darüber? «
Ihr zunächst zweifelnder Blick wich sehr schnell einem en t schiedenen. » Wenn es so wäre, dann gäbe es eine Akte darüber. Ihr Mann hatte mit einigen Vaterschaftsangelegen heiten zu tun und jede Einzelne ist genauestens dokumentiert. Das geht ja gar nicht anders. Professor Kogler muss sich da irren –allein schon wegen des zeitlichen Aspekts. Frau Overbeck war nur zweimal bei Ihrem Mann. Eine Vaterschaftsklage … nein, ganz unmö g lich! « Sie schüttelte energisch den Kopf.
» Außerdem existieren keinerlei Unterlagen von dieser Ma n dantin. Allein das ist schon ungewöhnlich, aber ich n ehme an, Ihr Mann wird seine Gründe dafür gehabt haben. «
Mein Kopf schmerzte vor Anspannung. Ich massierte mir die Schläfen. » Welche Gründe könnten das gewesen sein, Frau Lorberg? «
» Tut mir Leid, aber da fragen Sie mich zu viel. Der Fall von Frau Overbeck ist eine Ausnahme, so etwas ist vorher noch nie vorgekommen. «
17
Fühlte es sich so an, wenn man sich in einem Irrgarten verlief? Wenn man einen Weg sah, der hinter der nächsten Biegung wieder als Sackgasse endete? Wenn sich ein neuer auftat und Hoffnungen schürte? Ich lag in der Badewanne und versuchte, bei einem Entspannungsbad zur Ruhe zu kommen. Meine Nerven waren überreizt und in ständiger Alarmbe reitschaft. In meinem Kopf ging alles wild durcheinander.
Wieso hatte Joost behauptet, Gregor habe Barbara Overbeck in dieser Vaterschaftssache vertreten? Wieso rief er nicht zurück? Ich rieb mir die Augen und versuchte, diese zermürbenden Gedanken loszuwerden. Inzwischen sah ich überall Gespenster und stellte die wildesten Spekulationen an. Bestand zwischen den Fällen Barbara Overbeck und Tonja Westenhagen mögl i cherweise eine Verbindung? Über den einen Fall hatte Gregor keine Notizen gemacht, und zu dem anderen hatte er sich heimlich Informationen beschafft. Nur, was sollte ein Mädchen, das vor drei Jahren umgekommen war, mit einer Frau zu tun haben, die eine Vaterschaftsklage anstrengte?
Ich nahm mir vor, Barbara Overbeck am nächsten Tag anzur u fen und sie direkt zu fragen. Erst hatte ich erwogen, es noch an diesem Abend zu tun, aber ich war zu erschöpft, um mich auf ein solches Gespräch zu konzentrieren. Nach dem Entspa n nungsbad fiel ich in einen unruhigen Schlaf. Immer wieder wachte ich aus beängstigenden Träumen auf, die ich im selben Moment vergessen hatte. Was blieb, war ein ungutes Gefühl. Als ich es nicht mehr aushielt, machte ich Licht und lehnte ein Foto von Gregor gegen sein Kopfkissen. Sein Anblick half mir, irgendwann wieder einzuschlafen.
Am Morgen fühlte ich mich wie gerädert und überhaupt nicht erholt. Ich war bereits mit pochenden Kopfschmerzen aufg e wacht und hatte mich in die Küche geschleppt, um Kaffee zu machen. Wenn ich an den Tag dachte, der vor mir lag, konnte ich mir nicht vorstellen, ihn durchzustehen. Er kam mir vor wie ein unüberwindlicher Berg. Meine Angst vor einer neuerlichen Depression nahm überhand. Ich lief zum Telefon und rief Mariele Nowak an.
Keine fünf Minuten später stand sie in unserer Küche und wärmte die Milch für Jana, während ich zusammengesunken auf einem Stuhl saß und den kleinen Anker umklammert hielt. Ich fühlte mich, als wäre mein Körper mit kaltem Blei gefüllt.
Nachdem meine Nachbarin Jana die Flasche ins Bett gebracht hatte, kam sie zurück und hüllte mich in eine Decke. Sie goss uns beiden einen Becher mit Kaffee ein und schmierte Käse-und Honigbrote. Mit einem wohligen Seufzer setzte sie sich schließlich zu mir an den Tisch.
» Jetzt frühstücken wir erst einmal! « Sie schnitt ihr B rot in kleine
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