Im Auftrag der Rache
Er musste stark sein, damit die Ängste der anderen nicht zu groß wurden. Glaub verhielt sich wie ein Kriegerkönig aus der alten Zeit, weil er sich wie ein solcher fühlte.
Doch am Ende war er hinter all dem Glanz und Glitzer noch immer Marsalas Glaub aus dem Hochtell, und alles andere war bloß Augenwischerei. Er war ein alternder Mann, der sich das Haar färbte, damit es seinen schwarzen Glanz behielt, der nur selten an sich zweifelte, weil ansonsten die Gefahr bestand, dass er zusammenbrach, und der im Schlaf so sehr mit den Zähnen knirschte, dass er gezwungen war, eine Tiq-Gummischiene zu tragen.
Wenn er ihr Retter war, dann nur deshalb, weil er in dem, was er tat, gut war.
Einen Augenblick lang spürte er die Gegenwart von Forias’ Geist, der von oben auf ihn herunterschaute. Der alte Michinè war der vorherige Protektor von Khos gewesen, der nur dahergeredet und gezögert hatte, während die Mhannier den Schild beinahe überrannt hätten. Forias war im Schlaf an einem langsam wirkenden Gift gestorben, das ihm ein Agent verabreicht hatte.
Es war zu deinem eigenen Besten , sagte er jetzt zu dem Mann. Wie sonst hätten wir die Stadt retten können?
Er spürte die stille Anklage, die ihm entgegenschlug. Glaub schüttelte sie ab wie einen Streit, der niemals beigelegt werden konnte.
Er warf sich eine weitere Handvoll Flusswasser gegen die Brust und wusch sich die Haut in den mystischen Fluten des Chilos. Der heutige Morgen gehörte nur dem Leben und der Freude am Augenblick. Glaub legte sich im Fluss auf den Rücken und trieb eine Weile dahin, wobei er in die Wolken und den Himmel schaute und fernes Lachen in seinen Ohren klang.
Das Schaben eines Stiefels gegen Stein bewirkte, dass er sich umdrehte; sein Kopf befand sich knapp über dem Wasserspiegel. Halahan stand mit düsterer Miene nicht weit von ihm entfernt.
»Was ist los?«, seufzte Glaub.
»Eine dringende Depesche aus Bar-Khos von General Tanserine. Ich dachte, Ihr wollt es sofort erfahren.«
Glaub spürte ein Kitzeln im Arm. Das war ein Vorzeichen für schlechte Nachrichten.
Er kämpfte sich auf die Beine und spürte, wie der Schlamm zwischen seinen Zehen hindurchquoll.
»Kharnosts Mauer steht kurz vor dem Fall. Tanserine bittet darum, dass wir ihm jede Verstärkung schicken, die wir entbehren können.«
Plötzlich fiel ihm das Atmen schwer. Glaub hob die Hand an die Brust, auf der nun ein großes Gewicht zu lasten schien. Er versuchte zu sprechen, musste innehalten und es erneut versuchen.
»Irgendwelche Nachrichten … von der Verstärkung der Liga?«
»Noch nicht eingetroffen. Marsalas, ist alles in Ordnung mit Euch?«
»Es geht mir gut«, knurrte er und winkte Halahan fort, denn der Mann nahm gerade seinen Schwertgürtel ab und wirkte so, als wollte er zu dem General ins Wasser steigen.
Schmerz stach wie mit Nadeln in seine Adern, und er wusste genau, dass es ihm gar nicht gutging. Die Beine gaben unter ihm nach.
Glaub sank unter die Wasseroberfläche und bemerkte kaum die Hände, die nach ihm griffen. Und er hörte kaum die besorgten Rufe, die durch die mutterleibartige Umschlingung des Wassers gedämpft wurden. Er spürte, wie Blasen an seinem Gesicht vorbeitrieben, während das ganze Leben in einem einzigen Augenblick höchsten Schmerzes zusammenbrach. Dann spürte er gar nichts mehr.
*
Am Morgen nach Sascheens Tod kamen sie überein, auf neutralem Boden in einem Zelt zu verhandeln, das sie unweit der nach Tume hineinführenden Brücke hastig errichtet hatten. Allein und unbewaffnet standen sich Sparus und Romano im kalten Licht des Tages gegenüber.
Romano war an diesem Morgen in Jubellaune. Sparus sah es in seinen Augen.
Der Erzgeneral hingegen verspürte nur Traurigkeit.
»Was wollt Ihr mit ihr machen?«, fragte Romano mit einem Grinsen.
Sparus erlaubte es sich nicht, seine Wut zu zeigen. Dies war keine persönliche Angelegenheit; es stand zu viel auf dem Spiel.
Er holte tief und langsam Luft, bevor er antwortete: »Die Mortarus werden ihren Körper einbalsamieren, und dann wird er nach Q’os zurückgeflogen.«
»Vielleicht solltet Ihr Euch auch auf diesem Schiff befinden.«
Erzgeneral Sparus nahm seinen Helm ab und drückte ihn gegen die Hüfte. »Ihr werdet diese Armee nicht bekommen, Romano.«
Das Gesicht des jungen Mannes nahm einen Ausdruck der Überraschung an. »Warum denn nicht?«
»Weil dies der letzte Befehl der Matriarchin an mich war.«
»Ah«, erwiderte Romano und schritt nun vor Sparus auf und ab.
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