Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
Vom Netzwerk:
verstörten Blick zu. Er sah auf den Boden, wobei er ein unhörbares »Hallo« murmelte.
    Per starrte diesen fremden Jungen, der mit Sverre Wikans Körper herumlief, stumm an. Das Haar war stoppelkurz und die ganze linke Gesichtshälfte wurde von einem Verband verdeckt. Unter der Bandage konnte man mit Salbe bestrichene, flammend rote Brandwunden erahnen. Das rechte Auge schien tief in die Augenhöhle gesackt zu sein, und Per fragte sich beklommen, was wohl mit dem linken geschehen sein mochte. Es blieb unter dem Verband verborgen.
    »H… hallo. Wir dachten, du würdest …«, begann Per.
    Aber Sverre hatte ihnen den Rücken zugewandt und war bereits auf der Treppe. Immer noch ruhte Fjelds Hand auf Sverres Schulter. Per wusste genau, was seine Mutter dazu gesagt hätte, wenn sie diese Szenerie gesehen hätte. Dass Fjeld ein schlechtes Gewissen habe, weil Sverre verletzt worden und Oscar in Fjelds Firmengebäudeumgekommen war. Dass Fjeld allzu offensichtlich versuche, etwas wiedergutzumachen.
    Gunhild, Sverres Mutter, blieb einen kurzen Moment vor Sverres Freunden stehen. »Ach Jungs, ihr seid hier …? Das ist nett. Sverre ist noch nicht so ganz er selbst, aber das wird schon wieder, jetzt, da er zu Hause, in der gewohnten Umgebung ist …« Sie sprach leise, schneller als sonst. »Also lauft jetzt nach Hause, hängt hier nicht rum …« Sie war, wie es aussah, ebenso wenig sie selbst.
    Genau wie ihr Sohn war sie abgemagert und ihre Bewegungen waren hektisch. Die anderen Frauen redeten über sie. Aus Mitleid war längst Klatsch geworden. »Natürlich hat sich für sie jetzt alles verändert«, hatte Per seine Mutter zu einer Nachbarin sagen hören. »Wer hätte es nicht eilig, was Besseres zu finden als den Kerl, den sie jetzt los ist. Deshalb ist sie wie eine Getriebene, ständig auf dem Sprung, das kann man ja verstehen. Sie ist schließlich nicht mehr die Jüngste.«
    Die anderen Jungen verloren das Interesse und gingen ihrer Wege. Per entfernte sich nur zögerlich und setzte sich ein Stück weiter auf eine Steintreppe. Von dort hatte er gute Sicht auf Sverres Fenster. Fjelds Mercedes war inzwischen abgefahren, allerdings ohne Andreas Fjeld. Der war noch im Haus der Wikans geblieben.
    Per Andersen dachte wieder an die gespenstischen Gestalten, die er in jener Brandnacht beobachtet hatte. An den Mann, der aus dem brennenden Haus geeilt war – »geflohen war« beschrieb es treffender. Wahrscheinlich hatte niemand außer Per ihn gesehen. Sie behaupteten, dass Wikan und Fjeld in der Brandruine gefunden worden waren und dass kein Zweifel daran bestand, um wen es sich handelte.
    Wenn Per daran dachte, verspürte er einen abstoßenden Metallgeschmack im Mund. Es war schon zwei Wochen her. Die Zeit arbeitete gegen ihn. Gnadenlos. Da Per sich noch immer keinem Menschen anvertraut hatte, kam es auch jetzt nicht in Frage, etwasüber die Brandnacht zu sagen. Schon gar nicht zu Sverre. Der hatte genug durchgemacht. Außerdem würde sowieso niemand Pers Geschichten glauben.
    Er bekam kalte Füße und wollte gerade gehen, als sich an Sverres Fenster etwas regte. Sverre hatte ein eigenes Zimmer, das fast so groß war wie das Schlafzimmer seiner Eltern. Sverres dünne Gestalt tauchte am Fenster auf. Er schien ganz bewusst nach draußen zu sehen. Genau gegenüber befand sich nur die Wand des Nachbarhauses. Sverre musste ihn, Per, fixieren. Per hob beide Arme und winkte begeistert zu seinem Freund hinauf.
    Sverre hatte ihn wohl nicht gesehen. Denn im selben Moment fasste er die Gardinen mit beiden Händen und zog sie vors Fenster.
    Nach dem Wochenende war Sverre wieder in der Schule. Er stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Per musste jedoch bedrückt feststellen, dass Sverre nach wie vor anders war. Er sprach weniger, hielt sich in den Pausen abseits und blieb nach Unterrichtsschluss für sich. Wenn sie zum Haus der Wikans liefen und nach Sverre fragten, wollte er nie rauskommen.
    »Er hat den Schock noch nicht überwunden«, erklärte Pers Mutter. »So was braucht Zeit, egal wie intensiv Fjeld sich mit ihm abgibt. Der Junge wird wohl nie wieder derselbe werden, was ja begreiflich ist. Brandwunden im Gesicht und alles.«
    Sie erledigte gerade einiges im Haushalt, lief von einem Zimmer ins nächste, die Stockwerke rauf und runter, und kümmerte sich gar nicht darum, ob Per sie überhaupt richtig hören konnte. »Trotzdem. Verstehst du, warum Fjeld den Jungen so sehr verhätschelt? Als ob der Ausbruch des Feuers Fjelds Schuld

Weitere Kostenlose Bücher