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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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gerichtet. Dann setzte er die Spitze seines Schuhs – Größe 46 – auf den ausgestreckten Arm, knapp unter dem Ellbogen. Und lehnte sich mit dem ganzen Gewicht darauf. Tom Reeds Lippen bewegten sich lautlos und rhythmisch, als würde er immer wieder dieselben Worte wiederholen, ein Gebet vielleicht, oder eine Art Versprechen. Jack spürte die vertraute Enge in der Brust, den alten Rausch aus Angst und plötzlicher Macht, die Existenz auf der messerscharfen Kante des Lebens, wo jede Minute neu über das Schicksal entschieden wurde. Er ließ dem Augenblick Zeit, sich zu entfalten, ließ die Angst des Typen gerinnen.
    Schließlich fragte er: »Tom, wo ist mein Geld?«
    Tom drehte den Kopf zur Seite. Kalter Schweiß glänzte auf seiner Stirn, seine Augen bestanden nur noch aus Pupillen. »Ich schwöre bei Gott«, sagte er, »es war da drinnen.«
    Jack schüttelte den Kopf, richtete die Pistole noch einmal aus – für alle Fälle – und hob den rechten Fuß. Die Ferse des Lederschuhs zeigte nach unten.
     
    Hab keine Angst, hab keine Angst, hab keine Angst, oh Gott, was tut er da, warum tut er das, warum, sein Fuß, warum, oh Gott, wird er etwa, nein, das kann er, oh Gott, hab keine Angst, keine Angst, keineAngstkeineAngstkei-
     
    Jack ließ den Fuß auf den Boden krachen, und Toms Welt explodierte. »Es war da drinnen, ich schwöre bei Gott, es war da drinnen!« Aber eigentlich schrie er nur, um gegen den Schmerz anzukämpfen.
    Wieder hob Jack den Fuß, und Tom atmete tief ein. Er versuchte, sich unter dem Schuh herauszuwinden, der seinen Arm am Boden fixierte, doch dann verkrampfte sich der Finger um den Abzug der Pistole, und er musste innehalten.
    Beim zweiten Mal registrierte Tom auch das Geräusch, es war genauso schlimm wie der Schmerz, ein fleischiges Knirschen, gefolgt von einem Schmatzen, als der Schuh zurückrutschte und seine Knöchel auf dem Beton zermalmte. Dann ein kurzes Krachen, wie ein Zweig, der zerbricht, und sein kleiner Finger zeigte in die falsche Richtung. Tom blickte auf seine Hand und merkte, wie sich sein Magen umdrehte, aber er wollte jetzt nicht kotzen, mein Gott, der Schmerz, der brennende, kreischende Schmerz, wie messerscharfe Kanten von zersplittertem Glas.
    »Wo ist es?«
    »Wir haben es da reingetan!«
    Das dritte Stampfen traf die Kante seines Eherings, des Edelstahlrings, den sie bei einem Juwelier an der Michigan Avenue ausgesucht hatten, und prallte davon ab, so dass ein Großteil der Wucht abgeblockt wurde, aber der Rest war schon genug, mehr als genug. Tom starrte in die Leere und kämpfte gegen die schwarzen Flecken an, die seine Sicht eintrübten, und dachte an den Ring, den Ring, und an seine Frau, an seinen wunderschönen Ring und an seine wunderschöne Frau … seine Frau … mein Gott, Anna, sie wird gleich nach Hause kommen, sie …
    »Ich schwöre bei Gott!«, brüllte er, bellte er mit hervortretenden Augen. »Wir haben das Geld in der Küche gefunden, im Mehl und im Zucker, und dann haben wir es in einer Tasche verstaut und hier runtergebracht, meine Frau und ich, sonst niemand, und danach haben wir es keinen Zentimeter mehr bewegt, das schwöre ich, verdammt, das schwöre ich! Egal, was Sie mir noch antun, ich weiß nicht, wo es ist, ich weiß es nicht, weil wir es einfach nur da reingetan haben!«
    Jack hob wieder den Fuß. Seine Augen verengten sich, er zögerte und blickte hinab. Tom versuchte, all seine Aufrichtigkeit in sein Gesicht zu legen, noch nie war er so ehrlich gewesen, noch nie. Jack musste es einfach glauben, dieser Schuh durfte nicht noch einmal auf seine Hand krachen. Jahrzehnte verstrichen. Nichts existierte außer dem kalten Beton, dem Geruch nach Blut und Staub und Bleichmittel und der Hölle in Toms Hand.
    Dann, ganz langsam, senkte Jack den Fuß. Er nahm den anderen Schuh von Toms Arm und ging in die Knie. Die Pistole hielt er lässig in der Hand, und Tom überlegte kurz, ob er einen Versuch wagen sollte, aber bei dem bloßen Gedanken daran, die Finger zu bewegen, musste er sich beinahe übergeben. Jack musterte ihn. Das Deckenlicht höhlte seine scharfen Gesichtszüge aus, seine Augen waren kaum zu erahnen. Schließlich seufzte er, stand auf, trat einen Schritt zurück und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
    Endlich konnte Tom sich wieder bewegen. Er rollte sich auf die Seite, barg die linke Hand in der rechten und umfasste sie sanft, als wäre sie eingeschlafen – nur statt der üblichen tausend Nadeln bohrten sich tausend Stacheln

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