Im Bann der Dämonin
Missbrauch und Folter durch die Türhüter. Und ihr blieb auch erspart, unsinnige Entscheidungen zu treffen und lächerliche Opfer darzubringen.
„Du, mein Kind, stirbst in der Blüte deiner Jugend, auf dem Höhepunkt deines Talents. Die Welt lag noch vor dir. Du wirst niemals den Niedergang deiner Schönheit oder deiner Begabung erleben.“ Beinahe tröstend waren Lucianas Worte, die sie an die nun fast leblose Hülle des Mädchens richtete.
Sie empfand ein leichtes Bedauern.
Vielleicht, weil die Welt nun um ein wahres Talent ärmer war.
Die Dämonin legte dem Mädchen tröstend eine Hand auf die Stirn, während es seinen Geist aushauchte. Das war der Moment, in dem sich die Seele vom Körper trennte.
„Jetzt.“ Luciana streckte Massimo ihre gesunde Hand entgegen.
Der Türhüter reichte seiner Herrscherin eine Spritze, in die Luciana nun etwas Blut des Mädchens hineinzog.
„Es muss schnell gehen. Während sich die Seele vom Körper trennt. Das ist der wesentliche Bestandteil meines Gifts.“
Massimo sah sie fragend an. „Blut?“
„Was ich meinen Opfern abzapfe, ist mehr als Blut.“ „Was ist es denn?“
„Es ist die Essenz des Todes.“
Die unvorstellbare Angst, die jeder Mensch in seinem letzten Moment des Daseins empfindet.
Selbst wenn Violetta beinahe leicht und zugleich friedlich gestorben war, wusste Luciana, welche Art von Gefühlen in ihrem Inneren getobt hatten. Und doch hatte sie weder geschrien noch gezuckt. Aber auch hinter ihren geschlossenen Lidern wütete die Angst vor dem Ungewissen. So lange, bis sie das Bewusstsein verlor.
Das weiß ich so genau, weil ich mich noch gut daran erinnere, dachte Luciana.
Sie hielt die Spritze hoch, die im fahlen Licht rot leuchtete. Die Essenz des Todes, die in dem Blut gefangen war, würde Luciana später ihrer Giftmischung hinzufügen.
„Bring das nach oben in mein Labor. Und dann schaff ihre Leiche zum üblichen Treffpunkt. Vielleicht haben wir Glück und können den Fürst der Finsternis mit diesem Opfer noch besänftigen, auch wenn ich etwas spät dran bin. Und die anderen sollen hier Ordnung schaffen.“
In Massimos Augen sah sie einen seltsamen Schimmer, intensiver als jemals zuvor.
„Nur aus Neugierde: Wieso haben Sie sie nicht vergiftet?“
„Das Giftmischen ist eine Kunst. Manchmal muss man auf Feinheiten zurückgreifen. Manchmal braucht es Zeit, eine Sache zu Ende zu bringen. Aber manchmal muss es auch schnell gehen.“
„Man muss mutig sein, um auf diese Weise zu töten, baronessa . Das Mädchen hätte sonst mehr gelitten.“
„Töten hat nichts mit Mut zu tun. Vor allem nicht das Töten auf diese Art.“
Plötzlich wurde Luciana wütend. Wie konnten die Türhüter es bloß wagen, ohne ihre Zustimmung eine fremde Person ins Haus zu bringen? Das ärgerte sie. Aber darum würde sie sich später kümmern, wenn Zeit dafür war. Nicht jetzt.
„Selbstverständlich, baronessa .“ Massimo nickte.
Sie folgte ihm die Treppe hinauf nach oben. Während er den Weg zum Labor einschlug, ging sie in ihr Schlafzimmer. Sie ließ Wasser in ihre große Marmorwanne ein. Kramte in der Kommode und fand eine Mullbinde, mit der sie den gebrochenen Daumen bandagierte.
Als das erledigt war, nahm sie den Lippenstift aus ihrer Tasche. Es grenzte an ein Wunder, dass er die Nacht unbeschadet überstanden hatte. Sie stellte ihn auf den marmornen Schminktisch, dann entledigte sie sich ihres blutbefleckten, ruinierten Kleides und warf es auf den Fußboden. Sie ließ sich in das warme Badewasser sinken und zuckte kurz, als die Wunden auf ihrem Rücken mit dem Wasser in Berührung kamen.
Der Schmerz ließ nach, doch die Erinnerung an die Berührung durch den Engel war noch allgegenwärtig.
Gott sei Dank war diese Nacht endlich vorbei.
Warum musste plötzlich alles schiefgehen?
Sie hatte schon so viele junge Frauen getötet, etliche von ihnen jünger als Violetta Ravello. Immer hatte sie Freude dabei empfunden, ihnen das Blut abzuzapfen. Nie hatte sie Schuldgefühle gehabt. Sie hatte gar nichts empfunden. Der Tod war nicht das Ende. Und Schmerz war vergänglich.
Sie selbst, Luciana, hatte es als Dämonin besser getroffen als in ihrem menschlichen Leben.
Im Jenseits hatte sie eine Macht erlangt, die sie sich niemals hätte träumen lassen.
Der Tod zahlreicher Unschuldiger war für sie ein Labsal gewesen und ließ sie hoffen, dadurch Gottes Namen zu schmälern. Während sie den Mädchen das Blut entnahm und sogar darin badete, stellte sie sich vor,
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