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Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)

Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)

Titel: Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Kestner
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Verzeiht.«
    Eine größere Menge der blauen Absonderung war auf das Buch getropft. Schlagartig öffneten sich zwei tiefschwarze Augen und funkelten ihn böse an. Ladomir tupfte mit dem Ärmel den Einband sauber, dann schlug er mit klopfendem Herzen die erste Seite auf.
    Wie bei allen Büchern befand sich auf der Innenseite des Buchdeckels eine ornamentverzierte Hand, in deren Mitte das sehende Auge saß. Der Händler legte die seine darauf. Sofort kam Leben in das Buch. Zunächst zuckte und zitterte es verkrampft, dann blätterte sich die erste Seite um, es folgten einige weitere, von denen Ladomir gerade noch die Überschriften lesen konnte (»Magie, Rituale, Zauberei« und »Hexenorte«), dann flogen die Seiten nur so dahin, als wenn ein Orkan sie erfasst hätte. Kurz vor Ende des Buches stoppte es jäh, und die Seiten klappten auseinander. Ladomir hoffte, dass es ein weiblicher Verfasser war, die Hexer unter ihnen waren mitunter recht verschwiegen. Er würde es gleich wissen.
    Aus den schwungvollen Lettern erwuchs nach und nach eine ungewöhnlich schlanke Nase, dann bildeten sich Kinn und Stirn heraus, hohe Wangenknochen traten hervor, ein Mund, so breit wie der eines Trolls, und zu guter Letzt Augen, die so düster wirkten, dass Ladomir das Buch am liebsten wieder zugeschlagen hätte.
    »Wann haben wir?«, fragte das Buch, ohne sich vorzustellen.
    »Zweihundertzweiundvierzig Dekaden, sechs Decencien und vier Annoten – nach der Verbannung«, antwortete Ladomir heiser.
    Die Nase der Hexe schnellte hervor. Sie schob ihr Gesicht, so weit es ging, aus dem Buch hinaus und sah sich um. »So lange also. Über zweihundert Dekaden … Und dann ist es ausgerechnet ein minderwertiger Lemur, der mich öffnet? Wo ist meine Gebieterin? Bringt mich zu ihr!«
    »Ich fürchte …« Ladomir wand sich, er hatte keine Zeit für lange Erklärungen. In Gedanken formte er seine Antwort: Hexen sind ausgestorben … es gibt keine Hexen mehr … wir haben seit Dekaden keine Hexen mehr gesehen … vielleicht leben oben noch welche, aber hier unten …
    »Ich fürchte, das kann ich erst machen, wenn Ihr mir alles erzählt, was Ihr hierüber wisst!«, sagte er stattdessen und hielt das Buch direkt vor sein Gesicht.
    Die Hexe blickte demonstrativ nach unten.
    »Gut! Dann werde ich Euch wieder schließen«, bluffte Ladomir. »Vielleicht seht Ihr Eure Gebieterin ja in weiteren zweihundertzweiundvierzig Dekaden wieder.«
    »Nein! Nicht! Natürlich sind es Blattern!«, schrie die Hexe mit kurzem Blick nach oben und verzog angewidert die Mundwinkel. »Ein einfacher Zauber. Nichts Besonderes. Jede Hexe kann sie heilen. Bringt mich zu meiner Gebieterin, und Ihr seid sie los.«
    »Sind sie tödlich?«
    »Nicht, wenn Ihr mich rechtzeitig hinbringt …«
    Ladomir schluckte. »Erzähl mir alles, was du über Blattern weißt«, verlangte er erneut und erntete einen verächtlichen Blick.
    »Pah! Was ist das für eine Frage. Wer könnte mehr darüber wissen als ihr Lemuren?«
    Ladomir hätte das Buch nehmen und schütteln können. Oder ihm eine Seite nach der anderen rausreißen.
    »Sag mir, was du über Blattern weißt«, wiederholte der Händler, nahm ein weniger wertvolles Buch von der Kette und riss ihm die erste Seite aus, so dass die Hexe es sehen konnte.
    Ihre Augen weiteten sich. »Nein!«, schrie sie grell. »Was macht Ihr denn?«
    »Sag mir«, setzte Ladomir an und riss noch eine Seite heraus, »was du«, die dritte Seite trudelte zu Boden, »über Blattern weißt!«
    Das Buch knurrte bedrohlich und bleckte dabei seine pergamentgelben Zähne.
    Gleichgültig zuckte der Händler mit den Schultern und wollte gerade die vierte Seite herausreißen, da schloss die Hexe die Augen, und das Buch begann zu dozieren, als wäre es ein Lehr- und kein Hexenbuch:
    »Blattern sind ein wirksames Mittel, Menschen wie auch Lemuren zu bestrafen, wenn sie sich allzu aufmüpfig anstellen. Ein einfacher Morbo-Temptari-Fluch oder das Versetzen einer Speise oder eines Getränks mit einem Sud aus Glockenblume und Ginsterwurzel rufen die Blattern innerhalb weniger Zenaten hervor. Blattern verlaufen vollkommen schmerzfrei. Es ist daher abzuraten, den Sünder mit Blattern vor seinem Schlaf zu strafen, da er oft bei Morgenglühen entseelt ist, ohne den Fluch überhaupt bemerkt zu haben. In der Regel braucht es zwölf Horas, bis der Körper vollkommen von Blattern bedeckt ist. Dann tritt der Tod ein.«
    Als Ladomir die letzten Worte gehört hatte, feuerte er das Buch auf den

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