Im Bann der Engel
um kein Detail zu versäumen.
»Erzähl«, forderte er sie auf. »Biste verliebt? In den Flügelmann?«
Unwillig schüttelte Sophia den Kopf. Das ging den Koch nun wirklich nichts an. »Nein, ich habe mich gefragt, was die fünf Kerle für merkwürdige Gäste sind. Weißt du etwas über sie?«
Er zuckte die Schultern. »Ich kriech ja nichts gesagt. Nur, dass ich für Fünfe mehr kochen soll.«
Enttäuscht steckte Sophia wieder ihre Nase in die Tasse.
Es war bereits dunkel, als Marcellus und Madame Hazard gemeinsam zurückkehrten. Die Dame des Hauses sah aus, als würde sie jeden Moment einen Schwächeanfall erleiden. Marcellus fing Sophias Blick auf und schüttelte schnell den Kopf. Sophia nickte zum Zeichen, dass sie seine Warnung verstanden hatte und zog sich in eine dunkle Ecke zurück. Dann wartete sie.
Nach einer halben Stunde kam Marcellus die Treppe herunter.
»Die Gäste sind alle eingetroffen und befinden sich in ihren Zimmern.«
»Das ist gut«, sagte er und sonst nichts.
Sophia lief neben ihm her. »Was ist denn geschehen? Keiner erzählt mir etwas. Ich erhalte nur noch Anweisungen, als wäre ich ein kleines Kind.«
»Irgendwie bist du das auch.«
Sophia schnappte empört nach Luft.
»Hör zu, das soll dir Madame Hazard selbst erläutern. Ich weiß auch nicht alles und im Übrigen erhalte ich meine Anweisungen genauso wie du. Und ich nehme Abstand davon, mich selbst als kleines Kind zu bezeichnen.« Er grinste dabei und auch Sophia musste gegen ihren Willen lächeln.
»Unsere Herrin schläft und wird heute gewiss nicht mehr wach«, sagte er und zog Sophia an sich. »Wie wäre es, Verehrteste, wenn wir beide uns auch ein wenig hinlegen?« Sein Grinsen wurde breiter. Sophia kniff ihn in die Seite.
»Entschuldigen Sie bitte«, erklang eine Stimme hinter ihnen. Beide wandten sich gleichzeitig um.
Einer der Gäste stand unschlüssig im Gang. Sein dunkles Haar fiel ihm verwegen in die Stirn, jetzt, wo kein Hut es mehr bändigte. »Es tut mir leid, Sie belästigen zu müssen, aber meine Reise war lang und nun knurrt mein Magen, da mir keine Zeit blieb, mir etwas zu essen zu kaufen.«
Kein Wort oder erstaunter Blick wegen Marcellus‘ Flügeln. Sophia bewunderte die höfliche Ignoranz des Mannes oder aber seine Fähigkeit, seine wahren Gefühle im Zaum zu halten.
»Selbstverständlich, wenn Sie mir bitte folgen möchten«, bot Sophia an.
Marcellus raunte: »Ich gehe schon mal vor.«
Sophia nickte ihm zu. Der Gast hatte anscheinend ein gutes Gehör. Denn als Sophia zu ihm aufgeschlossen hatte und Marcellus schon einige Meter entfernt war, sagte er leise: »So war das nicht gedacht. Ich hatte nicht vor, Sie von etwaigen Verpflichtungen abzuhalten.«
»Sie sind gewissermaßen meine Verpflichtung, werter Herr. Ich bin Madame Hazards Zofe Sophia.«
Der Mann gefiel ihr.
»Verzeihen Sie bitte meine Unhöflichkeit. Mein Name ist Richard Sinclair.« Er verbeugte sich formvollendet und hauchte Sophia einen Kuss auf die Hand.
Sophia und er saßen sich in der Küche gegenüber. Nachdem sie sich mehrmals entschuldigt hatte, dass die Küche kein geeigneter Aufenthaltsort für einen Gast sei, er jedoch darauf bestanden hatte, keine Umstände zu bereiten und unbedingt sein Mahl am Küchentisch einnehmen wollte, hatte Sophia schließlich nachgegeben. Wer war sie, einen Gast ins Speisezimmer zu befehlen. In der Tat schien er sich wohl zu fühlen. Weder störte er sich an der, mit Kerben übersäten, Tischplatte noch am Mangel von poliertem Tafelsilber. Sophia beschlich die Vermutung, dass der noble Mister Sinclair ursprünglich aus sehr einfachen Verhältnissen stammte.
»Sie sind gewiss froh, für Madame Hazard zu arbeiten«, knüpfte er an ihre vorherige Unterhaltung an.
»Ja, das bin ich.«
»Der Ruf eilt ihr weit voraus.«
»Das vermag ich nicht zu beurteilen, als sie mich in ihre Dienste nahm, wusste ich überhaupt nicht, wer sie ist.«
»Dann, meine Liebe, müssen Sie etwas ganz Besonderes sein. Viele würden sich einen Arm ausreißen, um für sie arbeiten zu dürfen.«
Sophia schwieg. Bislang war ihr noch keine Warteschlange mit Bittstellern vor dem Haus aufgefallen. Dann dämmerte ihr jedoch, dass dieser Mister Sinclair auf die Kessel anspielte. Natürlich, wie hätte sie glauben können, Madame Hazard lade die Männer zu ihrem Vergnügen ein. Das Vergnügen spielte bei ihrer Auswahl gewiss auch eine Rolle, aber es musste etwas bei den Kesseln geschehen sein, was die Anwesenheit der Männer
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