Im Bann der Engel
notwendig machte. Sophia gab sich betont desinteressiert als sie fragte: »Und was werden Sie bei den Kesseln tun? Wie ein Maschinist sehen Sie mir nicht gerade aus.«
Robert Sinclair brach in schallendes Gelächter aus. »Wissen Sie eigentlich, wie herzerfrischend Sie sind?«
Sophia hatte keine Ahnung, warum Sinclair sie auslachte, aber sie wagte einen neuen Vorstoß. »Dann erklären Sie sich. Ich möchte schließlich wissen, mit wem ich unter einem Dach wohne.«
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr über meine Aufgaben bei den – wie nennen Sie es so schön – Kesseln erzählen. Allerdings bin ich selbst ahnungslos. Die Dame des Hauses hat sich, wie ich hörte, zurückgezogen und wird mir wohl erst morgen beim Frühstück Rede und Antwort stehen.«
»Sie denken wohl immer nur ans Essen«, sagte Sophia mit gespieltem Tadel.
»Ertappt.« Richard Sinclair biss herzhaft in sein dick belegtes Brot.
Sophia hörte die zarten Glockenschläge der Uhr im Foyer. Es war schon nach zehn Uhr. Das bedeutete, sie hatte über eine Stunde mit dem Fremden in der Küche gesessen und überhaupt nicht bemerkt, wie schnell die Zeit verstrichen war. Ob Marcellus auf sie gewartet hatte? Ihr stand nicht mehr der Sinn nach heißen Küssen. Sie war müde und wollte vor dem Einschlafen in Ruhe nachdenken. Wenn sie ehrlich war, wollte sie über Richard Sinclair nachdenken, der ihr Blut in Wallung versetzte.
Elena war von einer merkwürdigen Schwere erfüllt, als sie sich in ihrem Bett aufrichtete. Wieso mein Bett?, ging es ihr durch den Kopf. Ich war doch eben noch in der Fabrik. Oder etwa nicht? Werde ich wahnsinnig?
Sie hob die Decke an und sah, dass sie vollständig bekleidet war. Nur die Schuhe hatte ihr jemand ausgezogen. Matt sank sie auf das Kissen zurück. Ihre Gedanken kreisten wild. Der Boss würde sie für eine Versagerin halten. Sie konnte froh sein, wenn sie nicht entlassen wurde. Oder gar auf die spezielle Art und Weise entlassen wurde wie Clara vor einigen Tagen. Wieder hörte sie den Knall der schrecklich großen Waffe und ein Schauer lief über ihren Körper. Was sollte diese Machtdemonstration? Elena konnte nicht mehr länger ruhig liegen bleiben. Sie stand auf, wusch sich, zog sich ihr bequemstes Kleid an und betrat kurz darauf die Bakery.
»Guten Morgen, Steven.«
Der Blick des dicken Bäckers wanderte zu seiner lautstark klackenden Uhr.
»Morgen ist gut. Du bist spät. Hast du meinen Rat beherzigt und dir endlich eine neue Anstellung gesucht?«
»Nein, aber vielleicht bald. Und deshalb möchte ich heute auch etwas anderes haben als meine üblichen Coins. Gib mir doch den halben Hefezopf dort und eine Dose von deinen guten Salz-Kümmel-Keksen.«
Von einem auf den anderen Moment ging Elena in die Hocke und beschwor Steven mit Gesten, nicht nach ihr zu sehen. Der Bäcker verstand schnell und nickte den beiden Männern knapp zu, die vor der Ladentür Halt gemacht und durch das kleine Fenster der Tür ins Innere der Bäckerei gespäht hatten.
»Du kannst wieder hochkommen.«
»Das war knapp.«
»Und was hast du mit den grimmig dreinblickenden Gesellen zu schaffen? Wie gute Freunde sahen die nicht aus.«
»Das ist eine lange Geschichte und …«
»Und du kannst sowieso erst mal nicht hier raus«, fiel ihr Steven ins Wort. »Wie wäre es, wenn ich den Laden schließe und wir uns im Hinterzimmer eine Tasse Tee und ein Stück Mohnkuchen schmecken lassen?«
Dankbar folgte Elena dem gutherzigen Steven in den rückwärtigen Teil der Bäckerei.
Gemütlich hatte er es sich eingerichtet. Zwei dick gepolsterte Sessel und ein Fußbänkchen standen im Raum, an den Wänden hingen viele kleine Ölbilder. Die meisten zeigten Schiffe in stürmischen Ozeanen. An einem Haken über dem Feuer im Kamin hing ein dickbäuchiger Wasserkessel. Eine winzige gemauerte Küchennische rundete das Zimmer ab. Steven öffnete eine Porzellandose mit Tee und brühte etwas vom Inhalt auf. Elena fühlte sich geborgen wie schon lange nicht mehr, als Steven einen Teller mit einem reichlich bemessenen Stück Mohnkuchen und einen Becher mit Tee auf dem runden Tisch zwischen den beiden Sesseln platzierte.
Er balancierte seinen Teller auf dem Schoß und brach immer wieder große Stücke Kuchen ab.
Auch Elena aß mit Genuss. »Das tut gut«, seufzte sie zufrieden.
»Was wollen die Männer von dir?«, fragte Steven ernst.
»Bestenfalls mich einschüchtern, schlimmstenfalls mein Leben.«
»Sie sind die schlagkräftigsten Fäuste unseres
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