Im Bann der Engel
ihrer Herrin. Betörende Öle, Bettwäsche aus Seide und große Spiegel, in denen ineinander verschlungene Gliedmaßen beim Liebesspiel wie ein göttliches Gemälde wirkten.
»Sie ist sicherlich gleich hier«, sagte Sophia betont sachlich und setzte sich züchtig an den kleinen runden Tisch. Amenatos blieb stehen. Er fühlte sich unwohl. Dies zumindest vermittelte sein Gesichtsausdruck. Sophia tat so, als gähne sie und grinste in ihre Hand. Amenatos nahm ebenfalls Platz und stützte die Arme auf der Tischplatte auf. Sophia stand auf und lief scheinbar ziellos durch den Raum. Sie nahm einige Gegenstände zur Hand, stellte sie wieder weg. Unter anderem griff sie auch nach dem Gefäß mit der Substanz, die bereits auf der Feier ein voller Erfolg gewesen war. Sie ging vorsichtig zu Werke, weil sie wusste, wie aufmerksam Amenatos war. Seinen Augen entging wenig. Sophia hob einige Kleidungsstücke auf und begab sich hinter die spanische Wand. Schnell schüttete sie etwas von dem Pulver aus dem Gefäß in ihre Handfläche und schloss die Hand, dann ging sie zur Bar, die in einem reich verzierten Schränkchen verborgen war und füllte zwei Gläser mit edlem Cognac. Das meiste Pulver gab sie in das Glas für Amenatos, einen Hauch in das ihre. Sie schwenkte das Getränk in den Gläsern wie sich das gehörte und prostete Amenatos zu.
Er nippte an dem Getränk und stellte dann unmotiviert das Glas auf den Tisch. Misstrauisch kniff er die Augen zusammen.
»Schmeckt Ihnen der Cognac nicht?«, fragte Sophia.
»Doch, er ist vorzüglich«, gab er zurück und machte sich nicht einmal die Mühe, die Lüge mit einem Lächeln zu entschärfen. »Wann ist denn mit dem Erscheinen von Madame Hazard zu rechnen?«
»Bald«, flötete Sophia. Sie stand auf und hoffte, dass die Droge bei ihm bereits die gewünschte Wirkung entfaltet hatte. Wie eine Katze näherte sie sich ihm, lehnte sich gegen ihn, legte ihm eine Hand auf die Schulter.
Er entzog sich, in dem er sich ebenfalls erhob und verbeugte sich knapp.
»Ich bin bei Miss Winterstone, falls Madame Hazard doch noch eintrifft.«
Erst, als sich die Tür hinter Amenatos geschlossen hatte, warf sie voller Hass auf die Wissenschaftlerin ihr Glas an die Wand.
Sie würde die beiden im Auge behalten. So viel stand fest.
In der Stadthalle von Cravesbury, deren Eingang von zwei steinernen Engeln flankiert wurde, begannen die Vorbereitungen für die pompöseste Feier in diesem Jahr. Es handelte sich um jene Wohltätigkeitsveranstaltung, zu deren Ankündigung die Klatschbase Annabella Squirrel ihr Gift versprüht hatte. Tische und Stühle wurden aufgestellt, die Wände mit verschwenderischen Schleifen aus edlen Stoffen geschmückt, Vasen mit duftenden Blumensträußen gefüllt. Zwischen den eifrigen Helfern, die sich freiwillig zum Dienst gemeldet hatten, und die größtenteils der Kirchengemeinde angehörten, eilte Master Copper mit einer Liste umher. Als Stadtoberhaupt musste er nicht helfen, aber er ließ es sich nicht nehmen, selbst Hand an diese besondere Veranstaltung zu legen. Er hielt einen der Helfer am Ärmel fest.
»Haben sich die Köche schon eingefunden?«
Der junge Mann kratzte sich am Kopf, dann sagte er: »Einige Männer hab ich gesehen, die sind mit nem riesigen Dampfmobil gekommen. Ich meine, die täten es grad entladen.«
Master Copper eilte zur Hintertür und sah die Köche, die Töpfe und Pfannen, Körbe und Kisten in die Küche der Stadthalle schleppten. An dieser Stelle klopfte sich Master Copper selbst auf die Schulter. Die Stadthalle war der perfekte Ort für die Soiree. Sogar ein Orchester war engagiert worden, das soeben mit der Probe begann. Welch ein Ansehen würde er ernten. Seine Wiederwahl in knapp vier Monaten war sicher und eine bessere Gelegenheit, seine Großzügigkeit auf der Bühne unter Beweis zu stellen, gab es nicht.
Er war über die Schmach hinweg, die diese Schlampe von Fabrikantenwitwe ihm angetan hatte. Wie er versprochen hatte, war er an jenem Abend vor seinem Publikum aufgetreten und auch der Wortlaut entsprach der Vereinbarung. Seine Mimik und die Art seines Vortrages erzählten indes eine andere Geschichte. Die Bewohner dieser Stadt waren nicht dumm, darüber hinaus genoss diese exzentrische Person keine große Anhängerschaft. Sie wollte sich partout nicht anpassen, verlangte vielmehr, dass die Stadt sich ihr anpasste. Die Zeche dafür musste sie nun bezahlen. Dennoch spürte Master Copper Erregung in sich aufsteigen, als er an Madame
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