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Im Bann der Gefuehle

Im Bann der Gefuehle

Titel: Im Bann der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie West
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als solches zu erkennen. „Wir heiraten Ende der Woche.“

7. KAPITEL
    Vier Stunden später wartete Carys mit feuchten Händen darauf, dass die renommierte Modedesignerin, die ihr Hochzeitskleid entwerfen sollte, zur ersten Anprobe erschien. Wieder einmal wurde ihr die gesellschaftliche Kluft zwischen sich und Alessandro bewusst, denn sie hatte sich noch nie in ihrem Leben ein Kleidungsstück anfertigen lassen.
    Ihre Maße hatte man auf Alessandros Veranlassung schon in Melbourne genommen und dann per E-Mail nach Mailand geschickt, um die Dinge etwas zu beschleunigen. Hoffentlich erschreckte sich die Modeexpertin nicht, wenn sie Carys’ recht weibliche Kurven sah. Carys fühlte sich vor dem riesigen, goldumrandeten Spiegel im Ankleidezimmer wie ein hässliches Entlein.
    Wenn man mir doch nur erlaubt hätte, ein Kleid von der Stange zu kaufen, dachte sie. Dann hätte ich mir diesen demütigenden Termin ersparen können.
    Aber Bescheidenheit hatte auf einer echten italienischen Hochzeit eben nichts verloren, Adelsgeschlecht hin oder her.
    Das Klopfen an der Tür erschreckte sie, aber lange nicht so sehr wie der Anblick ihrer Besucherin, die von Paolo höflich angekündigt und vorgestellt wurde. Warum hatte man ihr von allen Designern dieser Welt ausgerechnet sie geschickt? Wie konnte Livia ihr das antun? Sie musste doch wissen …
    „Signorina Wells?“ Die Stimme der jungen Frau riss Carys aus ihren Gedanken, und sie drehte sich ganz langsam zu der Modeschöpferin um.
    Sie sah genauso aus wie in Carys’ Erinnerung: dünn, elegant, mit riesigen dunklen Augen in einem elfenhaften Gesicht. Sie trug feine, teure Kleider und ein Vermögen an echten Perlen, was ihre ätherische Anziehungskraft noch unterstrich.
    War es ein Wunder, dass Alessandro sie heiraten wollte? Oder war wirklich alles nur ein Missverständnis?
    Unerträglicher Schmerz über die verlorene Zeit und die verlorenen Chancen überwältigten Carys, und sie musste sich an einer Stuhllehne Halt suchen, damit ihre Beine nicht nachgaben.
    „Principessa Carlotta.“ Die Begrüßung klang rau, dumpf und unsicher.
    Erwartete man tatsächlich, dass Carys sich von dieser Frau ihr Hochzeitskleid nähen ließ?
    „Carlotta, bitte.“ Ihr Lächeln war warm, und die etwas heisere Stimme hatte einen angenehmen Klang.
    Überrascht stellte Carys fest, dass Carlotta offensichtlich entschlossen war, freundschaftlich auf die Frau zuzugehen, die ihr Alessandro letztendlich doch ausgespannt hatte. Sie selbst wäre an Carlottas Stelle nicht unbedingt so großherzig gewesen.
    „Verzeihen Sie“, begann die junge Frau und zog leicht eine perfekt geschwungene Augenbraue in die Höhe. „Aber geht es Ihnen gut? Sie sehen blass aus.“
    Das war wohl kein Wunder, aber wie hätte Carys ihren Schock erklären sollen? Ich bin nur schockiert darüber, die ehemalige Geliebte meines zukünftigen Mannes hier zu sehen. Oder etwa die aktuelle Geliebte?
    Jetzt wurden ihre Knie endgültig weich, und Carys ließ sich schwer auf ein antikes Sofa fallen, das hinter ihr an der Wand stand.
    „Ihnen geht es nicht gut. Ich hole gleich Hilfe.“
    „Nein!“, protestierte Carys hastig. Auf keinen Fall wollte sie Aufsehen erregen, nur weil sie unerwartet ihrer Erzrivalin gegenüberstand. „Es ist der Jetlag. Wir sind erst vor wenigen Stunden hier angekommen.“
    Trotz ihrer grenzenlosen Erschöpfung hatte sie in dem herrlichen Schlafzimmer, das man ihr zuwies, keine Ruhe finden können. Sie fühlte sich in all den gold- und cremefarbenen Möbeln und Accessoires fehl am Platz.
    „Entschuldigen Sie, signorina , aber ich glaube, es ist ein bisschen mehr als das.“ Dunkle, intelligente Augen betrachteten sie mit Besorgnis und ein wenig Misstrauen. Dieser Frau konnte man jedenfalls nichts vormachen, dafür war sie zu clever.
    Carys seufzte. „Warum nehmen Sie nicht Platz?“, bot sie an und wartete, bis Carlotta ihr gegenüber auf einem Stuhl saß. Dann faltete sie die Hände und holte tief Luft. „Die Wahrheit ist, es war ein Schock für mich, Sie wiederzusehen.“ Sie machte eine kurze Pause, während die andere Frau fragend den Kopf neigte. „Ich bin Ihnen schon einmal begegnet, mit Alessandro, vor zwei Jahren.“
    Lautstark meldete sich Carys’ Stolz und ermahnte sie, nun zu schweigen, um wenigstens einen Rest Würde zu wahren. Aber sie war nicht der Typ für rätselhafte Spiele und unausgesprochene Geheimnisse. Ein offenes Wort war ihr stets wichtiger gewesen als kultivierte Zurückhaltung.

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