Im Bann Der Herzen
Harris eine Drei-Penny-Münze. »Einen Krug, wenn ich bitten dürfte, Mrs. Harris.«
»Wird gemacht, Dr. F.« Sie verzog sich erneut in die Küche und rief nach ihrem Sohn.
Douglas ging hinauf, um seine Überkleidung abzulegen. Das Badezimmer, gewöhnlich vom Mieter von Nr. 2 besetzt, war zur Abwechslung mal frei. Er wusch sich Hände und Gesicht, kämmte sich und ging zum Abendessen hinunter.
Er kaute sich durch die wie befürchtet trockene und nach nichts schmeckende Brasse und öffnete den Brief seiner Mutter. In die fünf Seiten eingeschlagen war ein Bankscheck über hundert Pfund. Die beigelegte Notiz lautete: »Sicher gibt es einen guten Zweck, der davon profitiert. Fergus sagt, dass dir das Geld aus dem Treuhandfonds zusteht.«
Douglas faltete den Scheck zusammen und steckte ihn in seine Brusttasche. Fergus, der Familienbanker, hatte nicht die Gewohnheit, seinen Kunden Hundert-Pfund-Schecks aufzudrängen, selbst wenn es sich bei dem Fonds um einen sehr stattlichen gehandelt hätte, was dieser aber gewiss nicht war. Das Geld war von Douglas' Vater für seine Ausbildung angelegt worden, und Douglas war klar, dass davon nur noch sehr wenig vorhanden sein konnte. Geld war bei den Farrells knapp. Seine Mutter war zwar gut versorgt, und seine Schwestern hatten gut situierte Ehemänner, doch hatten sie auch Kinder. Um sich und eine Frau aus passenden Kreisen standesgemäß zu ernähren, hatte Douglas die Praxis seines Vaters übernehmen müssen.
Er trommelte mit den Fingern auf das fleckige Tischtuch, als die Erinnerung an Marianne wieder in ihm aufstieg. Nachdem er seine lukrative Praxis zugunsten einer Slum-Klinik aufgegeben hatte, die seine persönlichen Mittel verschlang, hatte er gleichzeitig Marianne, die zukünftige, ihm angemessene Gattin verloren und sich praktisch der Armut ausgesetzt. Obwohl er sein Bestes tat, um letztere Tatsache vor seiner überbesorgten Mutter zu verbergen, war er - nach dem Scheck zu schließen - anscheinend nicht allzu erfolgreich damit. Es war typisch» dass sie ihr Geschenk so rechtfertigte, dass er nicht ablehnen konnte.
Nun erst widmete er sich dem Brief. Fünf Seiten in ihrer winzigen Handschrift ... Neuigkeiten von den Schwestern und deren zahlreichen Sprösslingen, von den Schrullen der Nachbarn, von den Leuten, die seine Mutter nicht mochte, und das alles gespickt mit Ratschlägen für das Wohlergehen ihres Jüngsten, der noch dazu auch ihr einziger Sohn war.
Douglas nahm einen kräftigen Schluck Ale und lachte leise. Nicht auszudenken, was seine Mutter sagen würde, wenn sie ihn in dieser elenden, trostlosen Pension in der Cromwell Road hätte sehen können - wie er am Ende eines elend langen Tages kalten, durch langes Kochen ausgelaugten Fisch in sich hineinschaufelte. Im Moment saß sie sicher im eleganten Haus der Farrells an der Prince's Street in Edinburgh und plante die Speisenfolge für den nächsten Tag, falls sie nicht mit ihren Freundinnen Bridge spielte oder eine ihrer Töchter über einen Aspekt der Kindererziehung oder Haushaltsführung belehrte.
Nicht, dass er seine Mutter nicht geliebt hätte. Er liebte sie. Aber Lady Farrell war eine gründe dame vom alten Schlag, die sich eisern an die starren Prinzipien der viktorianischen Zeit klammerte. Sie hatte ihrem Mann, einem erfolgreichen Arzt, sieben Kinder geschenkt, ehe er mit vierzig verstorben war. Erst das letzte Kind war der lange ersehnte Sohn. Als Witwe hatte sie die Rolle beider Eltern übernehmen müssen, eine Rolle, die sie gern und kompetent ausfüllte. Alle ihre Kinder hatten gewaltigen Respekt vor ihr. Nur ihr Sohn hatte es geschafft, die mütterlichen Fesseln abzustreifen und seinen eigenen Weg zu gehen, wenn auch mit einem nicht geringen Aufwand an Schwindelei.
Douglas faltete den Brief zusammen und steckte ihn wieder in den Umschlag. Seine Antwort durfte nicht lange auf sich warten lassen, und sie musste sehr sorgfältig abgefasst sein. Er wollte seine Mutter unbedingt weiterhin über die wahren Umstände seines Lebens und seiner Arbeit im Unklaren lassen. Die Wahrheit würde im günstigsten Fall einen Anfall von Angina pectoris auslösen. Er hatte zwar seine eigenen Ansichten über die Herzattacken seiner Mutter, aber die Auswirkungen wirkten verblüffend echt. So war es unerheblich, ob er sie für eine nützliche Waffe im Arsenal ihrer Mittel zum Beherrschen ihrer Kinder hielt oder nicht.
Nachdenklich schüttelte er den Kopf. Seine Mutter hatte nie verstanden, warum er sein ihm von
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