Im Bann Der Herzen
Platz.
Chastity, die ihren Vater beobachtete, merkte, dass er wie benommen wirkte. »Unsere Droschke muss in Wahrheit ein Zauberteppich gewesen sein«, raunte sie ihm zu, als sie dem goldbetressten Lakai zu einer Doppeltür auf der rechten Seite der Halle folgten. »Wir sind wohl in der italienischen Renaissance gelandet.«
Aus Lord Duncans Blick sprachen zugleich Missbilligung und Belustigung. Der Diener riss die Türflügel auf und kündigte mit schwerem italienischem Akzent an: »Lord Duncan ... die Ehrenwerte Miss Chastity Duncan.«
Die Contessa erhob sich mit warmem Begrüßungslächeln von einem weiß-goldenen Sofa mit verschnörkelten Armlehnen. Sie trug ein seidenes Sackkleid in Dunkelgrün mit hellgelbem Besatz. Ihr Haar war unter einem eleganten, aber längst außer Mode gekommenen Turban verborgen. »Mein lieber Lord Duncan, Miss Duncan, wie lieb von Ihnen, mich so bald zu besuchen«, rief sie aus und kam ihnen mit ausgestreckter Hand entgegen.
Chastitys Blick klebte jedoch an dem Paar, das an einem der hohen, Aussicht auf den Hyde Park bietenden Fenster stand. Laura della Luca und Dr. Douglas Farrell, in ein angeregtes Gespräch vertieft, drehten sich nun zu den Neuankömmlingen um.
»Mir liegt es auf der Zunge, zu sagen: >Diese Begegnungen müssen ein Ende haben, Miss Duncan<«, bemerkte Douglas mit kühlem Lächeln, als er ihr seine Hand reichte.
Gestern nannten wir uns beim Vornamen, fiel ihr ein. Versuchte er diese lockere Vertrautheit des Abend zu bannen, indem er zur Förmlichkeit zurückkehrte? Vielleicht wollte er nicht, dass Laura glaubte, er stünde auf so freundschaftlichem Fuß mit einer anderen Frau. Wenn ja, dann war es ein viel versprechendes Zeichen, und sie wollte seinem Beispiel folgen. »Ja, es sieht aus, als würden wir einander ständig über den Weg laufen, Dr. Farrell«, sagte sie und schüttelte rasch seine Hand, ehe sie sich an Laura wandte. »Wie geht es Ihnen, Miss della Luca?«
»Sehr gut, danke, Miss Duncan«, erwiderte Laura ebenso förmlich. »Wie lieb von Ihnen, uns zu besuchen. Eben sagte ich zum Dottore, dass heute Morgen der Türklopfer nicht zur Ruhe kommt. Die zauberhafte Dinnerparty bei Lady Malvern bescherte uns viele Besucher.«
»Ja, die Leute nahmen uns herzlich auf«, sagte die Contessa. »Ach, wie schön«, rief sie aus, als Lord Duncan ihr mit einer kleinen Verbeugung die Blumen präsentierte. »Laura, Liebes, läute doch nach Giuseppe. Er soll eine Vase und Kaffee bringen. Setzen Sie sich doch, Lord Duncan, Miss Duncan.«
»Für mich keinen Kaffee, Teuerste«, sagte Lord Duncan mit abwehrendem Winken. »Ich rühre das Zeug nach dem Frühstück nie an.« Er setzte sich neben seine Gastgeberin aufs Sofa und legte das Paket auf den Tisch. »Ich fand das Buch mit den Kupferstichen, die ich gestern erwähnte.«
»Ach, wie reizend«, rief sie mit ungeheuchelter Freude, als sie das Buch auspackte. »Was wollen Sie anstatt Kaffee? Vielleicht Sherry?«
Lord Duncans bevorzugtes Getränk war Whiskey, doch gab er sich auch mal mit Sherry zufrieden. Laura zog an einer mit Fransen gezierten Klingelschnur neben dem Kamin. »Außer dem Dottore empfingen wir zudem Lady Bainbridge, Lady Armitage und Lady Winthrop«, erklärte sie.
»So charmante Menschen«, murmelte ihre Mutter, gedankenverloren im Buch blätternd.
»Sie haben geläutet, Signorina.« Der livrierte Diener verbeugte sich in der Tür. Laura überließ ihm die Blumen und gab ihm ihre Anweisungen.
Douglas sagte leise zu Chastity: »Hoffentlich zeitigte der Aal in Aspik keine Nachwirkungen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Und bei Ihnen?«
»Nur schlechte Träume«, sagte er leise lachend.
»Ach, Sie schlafen schlecht, Dottore ?« Laura trat zu ihnen. Ihre Frage hörte sich sehr neugierig an.
»Nur nach dem Genuss von Aal in Aspik«, erklärte er.
»Aal in Aspik?« Sie starrte ihn an. »Was soll das sein?«
»Eine Cockney-Delikatesse«, belehrte Chastity sie. »Sie sind gut beraten, wenn Sie sie meiden. Sie schmeckt einfach abscheulich.«
Lord Duncan blickte von seinem Buch auf. »Was höre ich da von Aal in Aspik?«
»Dr. Farrell und ich genossen ihn gestern in Covent Garden«, erklärte Chastity.
»Allmächtiger, warum denn das?«
»Eine sehr gute Frage, Sir«, sagte Douglas. »Ihre Tochter forderte mich zu einem Wettessen heraus.«
»Hm, klingt aber gar nicht nach Chastitys Geschmack«, stellte Seine Lordschaft mit Entschiedenheit fest. »Sie müssen sich irren.«
»Nein, Sir, glauben
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