Im Bann Der Herzen
Willkommens-Drink unter Kollegen zu seinem ärztlichen Hausnachbarn. Es gab so viele langwierige gesellschaftliche Schritte zu tun, um sein Ziel zu erreichen. Doch sie ließen sich leider nicht beschleunigen. Trotz seiner wachsenden Ungeduld wegen seines momentanen Unvermögens, die immer länger werdende Reihe der Kranken und Bedürftigen bei St. Mary Ab-bot's entsprechend zu behandeln, musste er sich in Geduld fassen und sich bei den Spitzen der Londoner Gesellschaft in Gunst setzen, ohne auch nur andeutungsweise zu verraten, wie eilig er es hatte.
»Nein, ich meine es ernst, Con«, beharrte Chastity. »Er sah wirklich aus, als wäre er einer Vorstellung der Hochzeit des Figaro entsprungen. Ich erwartete, er würde jeden Moment eine Arie anstimmen.«
»Und das Haus ist wirklich wie ein Renaissance— Palast?«, fragte Prudence mit ungläubigem Lachen.
»Von außen nicht. Es ist ein für die Park Lane typisches großes und sehr vornehm wirkendes Haus, aber das Innere ... Fast so, als hätten sie die Schätze der Uffizien mitgebracht. Immerzu blickte ich zur Decke in der Hoffnung, ein Stückchen Sixtinische Kapelle zu entdecken.« Sie schüttelte den Kopf. »Ach, das ist so unfreundlich, und das möchte ich nicht sein. Es war nur so ... unrealistisch.«
»Und sie kommen über die gesamten Feiertage«, konstatierte Constance dumpf. »Wir müssen diese schreckliche Laura eine ganze Woche über uns ergehen lassen.«
»Wir müssen sie noch viel länger ertragen, falls sie unsere Stiefschwester wird«, gab Prudence mit gewohnter Offenheit zu bedenken.
»Ja, aber wir werden sie unter die Haube bringen, und du musst zugeben, dass ihre Mutter eine sehr nette Frau ist«, sagte Chastity beschwichtigend. »Ich weiß, wir hätten euch beide konsultieren sollen, ehe wir sie einluden, aber Vater konfrontierte mich aus heiterem Himmel damit.«
»Das halte ich für ein sehr gutes Zeichen«, meinte Prudence. »Und schließlich ist es sein Haus. Er kann einladen, wen er möchte.«
»Richtig«, sagte Constance. »Wir können froh sein, dass er sich gefasst hat und Leute einlädt. Hat er schon etwas über die Kosten der Bewirtung so vieler Gäste verlauten lassen?«
»Noch nicht«, sagte Chastity. »Momentan ist er ganz romantisch gestimmt, ohne Sinn für banale Realitäten.«
»Aber wenn ohnehin alle über Weihnachten kommen, können wir uns vorher eine Weihnachtsparty ersparen«, bedachte Constance. »Wir müssen ihn heute nicht dazu überreden.«
»Ich glaube, da kommt er.« Chastity legte den Kopf schräg und lauschte, was vor der Salontür gesprochen wurde. »Er redet mit Jenkins.«
Lord Duncan trat unmittelbar danach ein. »Sehr schön, meine Lieben, das ist ja wie in alten Zeiten«, erklärte er händereibend. Das abendliche Bad und ein paar große Gläser Whiskey beim Ankleiden hatten seine Wangen rosig gefärbt. »Seid ihr schon beim Sherry?«
»Noch nicht«, antwortete Constance. »Wir wollten auf dich warten.«
»Überlasst das mir.« Er ging ans Sideboard, auf dem die Karaffen standen. »Gibt es einen besonderen Grund, der uns heute zusammenführt?«
»Nein«, sagte Prudence. »Wir dachten nur, ein Familienabend wäre nett.«
Er drehte sich mit zwei Sherrygläsern in den Händen um und fixierte seine drei Töchter mit jäh erwachtem Argwohn. Sie begegneten seinem Blick unschuldig lächelnd und liebevoll. Er reichte die Gläser Prudence und Constance und ging noch einmal ans Sideboard, um für Chastity ein Glas einzuschenken. Nachdem er ihr das Glas gegeben hatte, stellte er sich mit seinem Whiskey vor den Kamin, in seinem schwarzen Abendanzug ganz der Paterfamilias. Sein gerundeter Bauch, auf dem die goldene Taschenuhr glänzte, verriet, dass er ein Mann war, der nie etwas davon gehalten hatte, sich die guten Dinge des Lebens zu versagen.
»Was ist mit euren Männern?«, fragte er und nahm einen Schluck Whiskey. Sein Argwohn hatte sich offenbar nicht gelegt.
»Ach, die haben anderes zu tun ... oder zumindest Max hat es.«
»Gideon besucht mit Sarah eine Theateraufführung«, sagte Prudence.'» >Was ihr wollt . In der Schule wird es gerade durchgenommen.«
Lord Duncan nickte bedächtig. Die Erklärungen waren glaubwürdig. »Hat Chastity schon gesagt, wen wir über Weihnachten zu Gast haben werden?«
»Ja ... eine wunderbare Idee«, sagte Constance. »Die Contessa scheint mir eine überaus charmante Frau zu sein.«
»Eine große Gesellschaft wird Sarah Spaß machen«, äußerte Prudence begeistert. »Die
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