Im Bann der Liebe
und mit einem Perserteppich und vielen Grünpflanzen geschmückt. Ethan wirkte in seiner Arbeitskleidung ein wenig fehl am Platz, aber das machte ihm offenbar nichts aus. Er trat so selbstbewusst auf, als ob er in seinem eigenen Wohnzimmer wäre.
Sie bekamen einen Platz vor dem Kamin, in dem ein großes Feuer prasselte, und ein Asiate trat zu ihnen, um sie zu begrüßen. Ethan bestellte heiße Schokolade, Kuchen und Sandwiches.
»Aubrey ist nicht zu Hause, wissen Sie«, erzählte Susannah, die daran dachte, dass Ethan zu Aubrey gewollt hatte.
Ethan lächelte, und obwohl Susannah ihn nicht in romantischem Licht sah, konnte sie sich vorstellen, dass er die Frauenherzen reihenweise brach. »Deshalb konnte ich mir den Wagen überhaupt nur nehmen«, erwiderte er, »denn Aubrey müsste auf dem Weg nach San Francisco sein.«
Susannah wusste nicht, ob er sie neckte oder nicht. »Es hätte ihm sicher nichts ausgemacht, Ihnen den Wagen zu leihen.«
Ethan lehnte sich zurück und seufzte schwer. »Mein Bruder hat in letzter Zeit etwas gegen mich«, gab er zu. »Aber es ist meine Nichte, um die ich mir Gedanken mache. Das arme Kind hat noch nicht einmal einen Namen, nicht wahr?«
In dem Moment erschien der Kellner, und sie wartete, bis die Tassen und Platten vor ihnen arrangiert waren, ehe sie antwortete. »Ich nenne sie Victoria.« Dann beschloss sie, nach einem tiefen Atemzug ins kalte Wasser zu springen. »Ich nehme an, Sie wissen, dass Aubrey glaubt, Julia hätte ihn betrogen«, sagte sie leise.
Ethan wirkte plötzlich unbehaglich und beschäftigte sich damit, ihnen den Kakao einzugießen. Angesichts seiner Aufmachung tat er das erstaunlich anmutig.
»Ethan?«, drängte Susannah, als das Schweigen anhielt, und ein seltsames Gefühl bildete sich in ihrem Magen.
»Julia war - nicht glücklich«, antwortete Ethan endlich.
»Sie wollen doch nicht sagen, dass sie tatsächlich einen Liebhaber hatte?«
Er räusperte sich. »Doch«, gab er zu. »Genau das will ich sagen. Leider hat sie Aubrey erzählt, ich wäre der andere Mann. Er hat ihr geglaubt.«
Susannahs Herz stoppte einen Schlag und begann dann wild zu hämmern. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, ihr wurde so übel, dass sie an Essen nicht einmal mehr denken konnte.
»Hatte er Recht?«, fragte sie dann.
Ethan sah sie wütend an, und jäh bemerkte sie die Ähnlichkeit zwischen Aubrey und seinem Bruder. Er klang genau wie er, als er wütend fauchte: »Was glauben Sie?«
6
Susannah sah Ethan geradeheraus an, auch wenn ihre Stimme ein wenig zitterte. »Ich weiß nicht, was ich denken soll«, gab sie zu und sprach leise, damit niemand sie hörte. »Deshalb frage ich Sie ja. Haben Julia und Sie einander - unschicklich nahe gestanden?«
Eine Weile herrschte Schweigen. Ethans Tasse klapperte gefährlich, als er sie auf den Tisch setzte. »In meinem ganzen Leben habe ich nur eine Frau geliebt«, begann er dann mit ruhiger Stimme. Seine Ähnlichkeit mit Aubrey war jetzt noch deutlicher zu sehen. »Sie hieß Su Lin. Ehe wir heiraten konnten, hat ihr Vater sie zurück nach China geschickt und dort mit einem entfernten Cousin verheiratet.«
Susannah hielt den Atem an. Ethans Traurigkeit war deutlich zu spüren, und Tränen stiegen ihr in die Augen. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Das wusste ich auch nicht«, fuhr Ethan heiser fort. »Auf Wiedersehen schien einfach unpassend.« Wieder schwieg er, dann entspannte er sich und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Es tut mir Leid, Susannah. Das alles spielte keine Rolle, wenn es nicht um das Baby ginge.«
Susannah war noch immer unruhig, denn tief in ihrem Inneren wusste sie, dass Julia durchaus zu Betrug und Untreue fähig gewesen war, wenn es ihren eigenen Zielen diente. Ein Bruch zwischen den Brüdern hätte ihr nichts ausgemacht, wäre ihr wahrscheinlich sogar völlig gleichgültig gewesen. Julia war eine vielseitige Frau - witzig, intelligent, hübsch und voller Abenteuerlust war sie zuweilen auch rücksichtslos und recht egoistisch gewesen. Susannah kannte ihre Eitelkeit, hatte sie auch schon boshaft erlebt, doch sie hatte Julia um ihrer selbst willen gemocht.
»Das Baby.« Sie seufzte und brachte die Unterhaltung zum Hauptthema zurück. »Aubrey hat mir erlaubt, sie taufen zu lassen. Ich möchte das gerne vor seiner Rückkehr aus San Francisco tun, denn er wird ohnehin nicht daran teilnehmen wollen. Würden Sie zustimmen, ihr Taufpate zu werden?«
Ethan saß so lange stumm da, dass Susannah zu
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