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Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Titel: Im Bann der Lilie (Complete Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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mon Cher. Zieht Euch die Kleidung eines Bediensteten an und erwähnt mit keinem Wort Euren Titel oder Namen!“, befahl er ihm.
    Aber Marcel weigerte sich zu gehen.
    „Was wird aus Euch? Wir beide könnten doch …“ „…dem Pöbel den Garaus machen“, hatte er sagen wollen, da wurde er forsch unterbrochen.
    „Macht Euch um mich keine Sorgen, tut, wie Euch geheißen!“
    Der Marquis ging entschlossenen Schrittes auf seinen Schützling zu. Sein Gericht verriet die Anspannung.
    „Sie werden das Schloss niederbrennen, und wir sind vor Feuer nicht gefeit! Ich werde versuchen, sie von Euch abzulenken, mein teurer Freund“, mahnte er eindringlich.
    Marcel war zurückgewichen und stand nun mit dem Rücken zur Wand.
    „Ist es das, was Ihr wolltet? In solch unruhige Zeiten zurückkehren?“, fragte er verständnislos.
    „Ihr könnt diese Situation noch nicht beurteilen. Für uns kommt eine Zeit des Überflusses. Wir treffen uns in Paris!“
    Julien befand sich nun dicht vor ihm. Er trug eine Samtweste über dem weißen Hemd passend zu seinen dreiviertellangen Hosen. Eine elegante Erscheinung, die einen herben Duft ausstrahlte, der Marcels Sinne verwirrte.
    „Sagt mir, empfindet Ihr etwas für mich?“, fragte Julien leise.
    Der junge Mann nickte. Da packte der Marquis Marcels Kopf mit beiden Händen und presste seine Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss auf dessen Mund. Draußen wurde bereits gegen das Eingangstor gehämmert, die ersten Fensterscheiben gingen zu Bruch. Brennende Fackeln flogen in das Gebäude, entzündeten in Sekundenschnelle die schweren Vorhänge und Teppiche. Aber es war nicht die Hitze des nahenden Feuers, die Marcels Körper zum Glühen brachte. Dieser Kuss war so unerwartet gekommen. So intensiv, zärtlich und voller Verzweiflung, dass auch er die Hände um Julians Taille legte und seinem Verlangen Raum gab.
    Dann aber riss der Marquis sich los.
    „Jetzt könnte ich sogar für Euch sterben!“, rief er mit Elan aus.
    Seine dunkelblauen Augen funkelten übermütig. Er stieß den Jungen von sich, der ihn entgeistert anstarrte.
    „Eilt Euch und beherzigt, was ich Euch gelehrt habe! Nehmt!“, rief er ihm noch nach und warf ihm einen Beutel mit Goldmünzen zu.
    Dann rannte er aus der Bibliothek. Was hatte er vor? Wollte er sich ganz allein gegen die Meute stellen? Ganz bestimmt nicht. Marcel wollte ihm nacheilen, aber ein „Nein“ hallte in seinen Gedanken wider. Der Marquis musste also noch in der Nähe sein! Saint-Jacques löste sich aus seiner Bewegungslosigkeit und lief hinunter durch die Küche, die an den Wohntrakt für die Dienerschaft grenzte. Dort fand er ein paar abgetragene Kleidungsstücke, die er hastig anzog. Auch einen der Kutschermäntel nahm er mit. Das meiste Personal war bereits geflohen oder zog plündernd mit den Bauern durch die Zimmer. Nachdem sie alle wertvollen Dinge zusammengerafft hatten, legten sie überall Brände. Ihr Lachen und Singen drang in Marcels empfindliche Ohren. Zum ersten Mal empfand er Abscheu und Hass gegen die Menschen, die ihm wieder alles nahmen, was ihm lieb und teuer war. Dass es hier um politische Dinge ging, war ihm egal. Dafür hatte er sich nie interessiert. Ungesehen erreichte Marcel die Stallungen und löste die Zügel eines kräftigen Grauschimmels. Die Tiere waren bereits unruhig, witterten sie doch die Flammen, die aus dem Hauptgebäude züngelten. Beide Stockwerke brannten mittlerweile lichterloh, und das Dach begann bereits stellenweise einzustürzen. Das Skelett der Dachbalken ragte schwarz im Licht des Feuers hervor. Marcel führte das Pferd durch eine zweite Tür, die direkt in eine der Koppeln mündete. Draußen zog er den Sattelgurt fest, hüllte sich in den Mantel, zog einen Hut tief ins Gesicht und sprang auf den Gaul, der sich kurz aufbäumte und ihn dann in die Nacht hinaustrug. Mit einem Satz sprang er über den Holzzaun der Koppel hinweg und galoppierte hinaus auf die Felder. Nur der Mond beobachtete seine Flucht. Doch halt. Nicht nur der Mond. Der Marquis stand hoch erhoben auf dem Dach des Stallgebäudes und blickte seinem davon reitenden Schützling nach. Hinter ihm lodernden die Flammen aus den brennenden Gebäuden. Auch er trug mittlerweile die einfache Kleidung eines Reisenden. Sein Umhang wehte leicht im Nachtwind. Unter dem rechten Arm trug er das in Tuch eingeschlagene Bildnis von Marcel Saint-Jacques. Allein deshalb war er in das Arbeitszimmer gelaufen. Es sollte nicht ein Opfer der Flammen werden wie die

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