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Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Im Bann der Lilie (Complete Edition)

Titel: Im Bann der Lilie (Complete Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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in einem kleinen Teich unweit des Friedhofes. Derartig erfrischt und dem Sohn eines wohlhabenden Bürgers gleich zog er mit den Edelsteinen in die Stadt, um sie bei einem Goldschmied gegen Bargeld einzutauschen. Dann sah er sich verschiedene Häuser an, bis er eines fand, das ruhig und dennoch stadtnah gelegen war. Eine Grundausstattung an einfachem Mobiliar war bereits vorhanden und die Miete lag in einem angemessenen Rahmen. So hatten sie noch vor dem hereinbrechenden Abend eine neue Bleibe gefunden. Silvio war rundum mit sich zufrieden. Als sein Freund erwachte und mit ihm das neue Haus bezog, schien auch er von seinem umtriebigen Gefährten angetan. Er umarmte ihn spontan.
    „Ich danke dir“, sagte er leise. „Aber ich muss dich jetzt für kurze Zeit verlassen. Ich brauche nach langer Zeit wieder mehr Blut, als ich dir nehmen kann. Bitte versteh das!“
    Silvio schien enttäuscht. Kaum waren sie zusammen, wollte Marcel schon wieder fort? Andererseits – er musste sich ernähren und hatte schon viel zu lange gedarbt. Also nickte er nur.
    „Versuch, etwas Schlaf zu finden. Du hast ihn verdient. Morgen Abend beginnen wir dann mit der Suche nach deinen Verwandten“, sagte Marcel noch und wandte sich zur Tür. Bevor er das kleine, weiß gestrichene Haus verließ, drehte er sich noch einmal um. Er sah Tränen in Silvios schönen Augen schimmern. Der zierliche Italiener hob schüchtern die Hand zu einem Gruß und versuchte, zu lächeln. Marcel erkannte die unausgesprochenen Fragen und Befürchtungen in diesen Augen und seufzte innerlich. Hier an Land würde sich zeigen, ob ihre Beziehung auch im Alltag Bestand haben würde. Jetzt aber musste und wollte er sich um sein eigenes Wohl kümmern. Erst danach wollte er sich Gedanken machen, was mit Silvio und ihm werden sollte. Und dann war da immer noch Julien! Fast plagte ihn ein schlechtes Gewissen, dass er seinen Mentor und Freund so schmählich im Stich gelassen hatte. Aber das Heer Napoleons aufzuspüren war mit Sicherheit leichter, als einen Verwandten dieses armen Schiffsjungen! Außerdem: sollte der Marquis ihm ruhig auch ein wenig Vergnügen gönnen! Er war sicher, dass auch Julien kein Kostverächter gewesen war in seinem langen Leben als Vampir. Das quälende Verlangen in seinen ausgedorrten Adern lenkte ihn schnell wieder von diesen Selbstvorwürfen ab. Marcel fühlte sich ausgehungert wie ein Löwe, der viel zu lange in einen engen Käfig gesperrt und von Katzenfutter ernährt wurde. In dieser Nacht würde in Neapel ein Mensch eines unnatürlichen Todes sterben! Und es war ihm ziemlich egal, wer das sein würde!

Nach der Vernichtung der französischen Flotte bei Abukir war das Heer Napoleons von der Versorgung über den Seeweg abgeschnitten. Die Versorgung mit einheimischen Mitteln war mehr als dürftig zu nennen. Anfang September hatten zudem die Großmächte Russland und das Osmanische Reich Frankreich den Krieg erklärt. Und in Kairo brodelte es. Im Untergrund organisierte sich bereits der Widerstand gegen die französischen Besatzer. Bonaparte spürte zum ersten Mal, dass der Marquis wohl Recht gehabt haben könnte, mit seiner Aussage, sein Leben würde ein ewiger Kampf bleiben. Hoffentlich ein siegreicher! Aber die Schlacht bei den Pyramiden hatte die Soldaten ebenso erschöpft wie die Märsche durch die Gluthitze der Wüste bei Tag und die Eiseskälte in der Nacht. Man bräuchte Männer, die diese Strapazen gewohnt sind und unter diesen Bedingungen kämpfen können , fuhr es Napoleon dabei durch den Kopf. Aus diesem Gedanken sollte später die erste Fremdenlegion entstehen.
    In Kairo selbst hatte der General sich in einem der säulenbewehrten Häuser einquartiert, das zuvor den türkischen Besatzern bewohnt wurde. Auf dem Vorplatz lagerte ein Teil seiner Truppen, während die Offiziere und deren Frauen in anderen konfiszierten Häusern untergebracht waren. Hier schmiedete er seine weiteren Eroberungspläne, oft im Geheimen, mitten in der Nacht. An einem dieser einsamen Abende brütete er erneut über den geographischen Karten, die seine nächsten Schachzüge begleiten würden, denn sein nächstes Ziel war Palästina. Diese wertvollen, handgezeichneten Karten waren von größtem militärischem Wert und wurden sicher in großen, stabilen Lederrollen verwahrt. Sie waren allein ihm und seinen Marschällen zugänglich, wenn sie ihre gemeinsamen Feldzüge absprachen. Eine dieser Rollen trug sein eingebranntes Namenssiegel – ein großes, verschnörkeltes

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