Im Bann des Fluchträgers
entgegen, er erschrak, als er sah, wie hoch die Sonne bereits stand. Gerade wollte er sein Tuch holen, als sein Blick auf den Seilerbaum fiel. Vor Erstaunen blieb ihm der Mund offen stehen. Um den Baum hatten sich etwa dreißig Seiler versammelt. Jeder von ihnen hatte ein dünnes Seil um die Hüfte gebunden und lehnte sich dagegen um es straff zu halten. Die anderen Enden der Seile waren um den Seilerbaum geschlungen. Jeder Seiler trug einen Gürtel, an dem eine Vielzahl von Haken, Schnüren und Nadeln hing. Und jeder flocht im Stehen an seinem Seil. Ravin dachte sich, dass ein Vogel, der über den Platz hinwegflog, denken mochte, einen Stern mit verschieden langen Strahlen unter sich zu sehen. Bei jedem Knüpfzug scheuerten die Seile am Baumstamm, gruben jeden Tag die Rillen ein wenig tiefer, polierten das duftende Holz, bis es glänzte. Die Hände der Seiler waren so geschickt und knüpften so schnell, dass Ravin Schwierigkeiten hatte, ihnen mit den Augen zu folgen. Der Anblick hielt ihn so gefangen, dass er nur am Rande wahrnahm, wie Ladro neben ihn trat. Eine Weile standen sie und bewunderten den stummen Tanz der Hände, die sich völlig unabhängig zu bewegen schienen, während die Seiler sich unterhielten und sich scheinbar gar nicht auf ihre Arbeit konzentrierten. Ladro und Ravin waren so vertieft, dass sie nicht einmal bemerkten, wie die Tür sich öffnete. Erst als sie Sumals Stimme hinter sich hörten, fuhren sie herum. Sie trug einen großen Sack auf dem Rücken, den sie nun auf dem Tisch ausschüttete. Getrocknete Früchte und etwas, das wie geräuchertes Fleisch aussah, kamen zum Vorschein. Außerdem ein Gegenstand, der in helles Leder eingeschlagen war. Schweigend bot Sumal ihnen das Essen an und stellte einen noch größeren Krug auf den Tisch, in dem sich, wie Ravin nicht gerade begeistert vermutete, Giel befand. Schweigend setzten sie sich zu Sumal, die ihnen das Fleisch zuschob. Es roch nach Salz und entfernt nach Fisch. Als er hineinbiss, stellte er fest, dass er selten so etwas Köstliches gegessen hatte.
»Das ist Snai«, erklärte Sumal ohne Umschweife. »Wir trocknen ihn über dem Feuer oder essen ihn gebraten und mit Honig eingerieben. Schmeckt es euch?«
Sie nickten mit vollem Mund und Sumal schenkte ihnen Giel ein. Um der Höflichkeit willen nahm Ravin widerwillig einen Schluck und war überrascht, wie köstlich der Tee schmeckte, als er sich mit dem süßlich-würzigen Geschmack des Snai vermischte. Nun begriff er, warum die Dantarianer dieses Getränk mochten. Schweigend aßen sie weiter. Sumal beobachtete sie. Ravin hätte viel darum gegeben, zu sehen, was sich hinter diesen schönen, unbeteiligten Augen verbarg.
Vermutlich wird sie uns nach dem Essen wegschicken, dachte er. Und wir werden uns beeilen müssen einen neuen Kapitän zu finden.
Auch Ladro war sich bewusst, dass die Zeit drängte, denn er aß hastig und stand sofort auf, nachdem er seinen Becher Giel geleert hatte.
»Sumal Baji, wir danken dir sehr für …«, begann er.
»Setz dich«, unterbrach sie ihn. Ladro blickte überrascht, dann runzelte er die Stirn und ließ sich langsam wieder auf dem Holzklotz nieder. Sumal räumte die Reste weg, griff nach dem Lederpacken und faltete ihn auseinander. Es war eine Karte.
»Das hier ist Dantar«, begann sie. Sie deutete auf die handförmige Landzunge, die in ein blau eingefärbtes Meer hineinragte. Zwischen den Wellen waren Pfeile aufgemalt, die Strömungen kennzeichneten. Ab und zu sah man verschiedene Fischsymbole. Sumals Finger glitt an der Küste entlang.
»Das ist der Weg, den ihr nehmen wollt. An der Küste entlang, ein Stück über das Meer und schließlich ein Bogen um das Komos-Kap. Nicht ganz ungefährlich wegen der Strömungen und Untiefen. Aber immer noch
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