Im Bann des Fluchträgers
durstig und tranken die Becher aus. Ravin versuchte eine andere Sorte, die gelblicher war, und stellte überrascht fest, dass dieser Giel viel süßer und besser schmeckte. Dann schlenderten sie über den Markt und staunten. Darians Augen leuchteten beim Anblick der Heilsteine, Flechten und Öle, die er hier fand. Nach kurzer Zeit hatte er so viel davon gekauft, dass er nicht alles in seinem Tuch verstauen konnte. Ravin nahm ihm zwei Beutel ab und hängte sie sich an den Gürtel.
Sie verließen den Markt und gingen in den ruhigeren Teil der Stadt, der nicht minder festlich geschmückt war, in Richtung Kleiner Hafen. Ravin erwartete jeden Augenblick Sumal Bajis hoch gewachsene Gestalt zu erblicken. Doch stattdessen blieb ihm an der nächsten Biegung für einen Moment das Herz stehen.
Es waren fünf.
Sie hatten ihre Helme abgesetzt und trugen die schweren Umhänge über dem Arm. Die Stiefel klirrten auf dem Stein. Ravin schluckte und zog den Strohhut tiefer ins Gesicht. Mit einem Seitenblick vergewisserte er sich, dass Darian und Amina nichts bemerkt hatten. Darian zeigte Amina im Gehen eine Wurzel, die er gekauft hatte. Die Gruppe kam näher. Nun sah Ravin, dass es junge Horjun waren. Erschöpft sahen sie aus; offensichtlich litten sie unter der Hitze. Das nasse Haar klebte ihnen an der Stirn. Als sie an ihm vorbeigingen, schlug Ravin der Geruch nach feuchtem Leder entgegen. Einer der Horjun hob zerstreut den Blick und sah Ravin mitten ins Gesicht. Ravins Herz machte einen schmerzhaften Sprung. Trotzdem ging er unbeirrt weiter. Er hörte, wie der Horjun aus dem Takt kam und stolperte, wie seine Kameraden protestierten und ihn zurechtwiesen. Ravin wartete drei Herzschläge, dann warf er einen verstohlenen Blick zurück. Im selben Moment drehte der Horjun sich ebenfalls um. In seinem Gesicht kämpfte Unglauben gegen Verwirrung. Ravin zwang sich ganz beiläufig zu grüßen, als sähe er einen Fremden, und wandte sich wieder um. Er dachte an Fischfang, an all die Aufgaben, die ein gewöhnlicher Dantarianer noch erledigen musste, dachte an den Rat der Fischer – und an die Mähnenschlange, die zum Tode verurteilt in ihrem warmen Bad lag. Endlich spürte er, wie Ruks Unglauben siegte und der Blick von ihm abglitt. Trotzdem zitterten ihm die Knie, als er weiterging. Da war er wieder – der Krieg, inmitten der festlichen Stadt, der lachenden Gesichter. Wie konnte es sein, dass Feste und Kriege zur gleichen Zeit existierten? Er ging weiter und fröstelte trotz der Hitze.
Uja war eine unglaublich dicke Frau, die Ravin auf den ersten Blick unsympathisch war. Steif und fest behauptete sie, dass sie kein einziges Lager freiräumen könne, da während des Festes so viele Besucher in der Stadt seien.
»Schade«, meinte Ravin schließlich. »Kapitänin Sumal Baji Santalnik sagte uns, hier seien noch Lager frei.«
Uja riss die Augen auf, meinte, sie werde zur Sicherheit noch einmal nachsehen, um dann zu verkünden, sie habe ganz zufällig noch drei Lagerplätze im überdachten Vorhaus gefunden.
»Scheint ein wichtiger Gefallen zu sein, den Uja Sumal Baji noch schuldet«, meinte Amina, nachdem sie sich die Matten an der Wand eines großen kahlen Raumes zurechtgelegt hatten. Es stank nach Essensresten und fauligem Heu, doch nach den unzähligen Tagen, die sie auf Kies und Fels verbracht hatten, kam ihnen das Lager beinahe angenehm und weich vor. Zum Zeichen, dass sie besetzt waren, beschwerten sie ihre Matten mit weiß bemalten Steinen und traten wieder in die vor Hitze sirrende Luft. Die Gasse war plötzlich wie ausgestorben, von fern hörte man das unmelodische Träten der Walzahnhörner und Jubel aus tausend Kehlen.
»Sie haben den neuen Fischerkönig gewählt«, sagte
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