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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Mar­ju­la­blü­ten ein­ge­wo­ben wa­ren, schmück­ten das Ge­bäu­de. Weit über Ra­vins Kopf rag­te ein Bal­kon über den Markt­platz.
    »Mu­scheln für die Wahl des Fi­scher­ra­tes?«
    Die Stim­me ließ Ra­vin her­um­fah­ren. Er sah sich ei­nem Händ­ler ge­gen­über, der vor dem Bauch meh­re­re Schilf­kö­cher hielt. Je­der von ih­nen war rand­voll mit klei­nen Mu­scheln in ver­schie­de­nen Far­ben ge­füllt. »Schwar­ze Mu­schel für San­jan, wie im ver­gan­ge­nen Jahr. Brau­ne für Mon, ro­te für Ni­sal …«
    »Nein, dan­ke«, er­wi­der­te Ra­vin freund­lich.
    Der Händ­ler fühl­te sich an­ge­spornt.
    »Ach, dann stimmt ihr für Klio? Klu­ge Wahl! Klio will Flut wie­der auf­bau­en las­sen. Ich stim­me auch für ihn. Ha­be mein Haus bei der großen Flut ver­lo­ren.«
    Er hol­te ei­ne wei­ße Mu­schel her­vor und hielt sie Ra­vin hin. Ra­vin zö­ger­te.
    Lang­sam däm­mer­te ihm, dass der Mann viel­leicht gar kein Händ­ler war. Über die Schul­ter des Man­nes sah er, wie wei­te­re Män­ner mit Kö­chern über den Platz lie­fen und Mu­scheln ver­teil­ten.
    »Ja, ich stim­me für Klio«, sag­te er schnell. Ein Lä­cheln ging über das Ge­sicht des Man­nes. Er gab Ra­vin die Mu­schel, griff mit ei­ner Hand in einen schma­len Kö­cher mit hel­ler Far­be und zeich­ne­te da­mit ei­ne Stel­le an Ra­vins Un­ter­arm. Ra­vin zuck­te zu­rück, ließ es sich je­doch ge­fal­len. Of­fen­sicht­lich zeig­te der wei­ße Fleck an, dass er be­reits ge­wählt hat­te. Da­mit soll­te ver­hin­dert wer­den, dass sich die­sel­ben Men­schen im­mer wie­der neue Mu­scheln hol­ten, um die Wahl da­durch zu ver­fäl­schen. Un­ter dem Bal­kon ent­deck­te Ra­vin rie­si­ge Krü­ge. Ne­ben je­dem stand ein Fi­scher und war­te­te. Has­tig steck­te Ra­vin die Mu­schel ein.
    »Seht mal, dort!«, rief Ami­na und dräng­te sich durch ei­ne An­samm­lung von Men­schen. In der Mit­te stand ein Holz­be­cken, das Ra­vin bis zur Schul­ter reich­te, aber et­wa so breit war wie der gan­ze Sei­ler­markt. Was­ser schwapp­te dar­in. Es roch nach Al­gen und Fisch. Die Men­schen dräng­ten sich dar­um, einen Blick über den Holz­rand zu er­ha­schen, und schri­en auf, wenn sie einen Blick in das Was­ser war­fen. Ami­na, Ra­vin und Dari­an dräng­ten sich eben­falls nä­her her­an. Die nach­fol­gen­den Lei­ber drück­ten sie so dicht an den Bot­tich, dass Ra­vin durch sei­ne Klei­dung die küh­le Näs­se des Hol­zes füh­len konn­te. Et­was be­weg­te sich in dem Be­cken. Er kniff die Au­gen zu­sam­men und sah ge­nau­er hin. Zu­erst er­kann­te er et­was, das wie ein mit Tang be­wach­se­nes Seil aus­sah. Dann be­weg­te sich das Seil. Ei­ne Mäh­nen­schlan­ge! Im Tjärg­wald gab es fin­ger­lan­ge Ex­em­pla­re. Doch die­se hier war di­cker als Ra­vins Bein. Mit ge­öff­ne­tem Maul und pum­pen­den Kie­men lag sie schlaff im lau­war­men Was­ser, drei­mal um sich selbst ge­rin­gelt.
    »Die wird heu­te Abend nach dem Um­zug ge­bra­ten«, sag­te ei­ne Mut­ter zu ih­rem klei­nen Sohn, den sie über den Rand hielt, da­mit auch er die Schlan­ge se­hen konn­te. Dann wur­de Ra­vin schon bei­sei­te ge­drängt und kämpf­te sich aus der Men­ge. Er such­te nach Ami­na und Dari­an und fand sie am Rand der Men­schen­trau­be, wo sie nach ihm Aus­schau hiel­ten. Ami­na war blass.
    »Wenn schon die Mäh­nen­schlan­gen so groß wer­den, will ich nicht wis­sen, was uns sonst noch im Meer er­war­tet«, sag­te sie. Ra­vin lach­te, doch er gab nicht zu, dass er Ähn­li­ches dach­te.
    »Hier tagt heu­te Abend der Rat der Fi­scher«, sag­te Dari­an. »Ha­be ich eben ge­hört. Die Be­völ­ke­rung von Dan­tar wählt einen, der dann wie­der für ein gan­zes Jahr als Fi­scher­kö­nig re­giert. Wenn die Son­ne un­ter­ge­gan­gen ist, geht das Fest rich­tig los.«
    Sie über­quer­ten den Platz und bo­gen in ei­ne schma­le Gas­se ein, die zu ei­nem klei­ne­ren Markt führ­te. Im Ge­gen­satz zum großen Haupt­platz war es hier viel ru­hi­ger und küh­ler. Ra­vin ent­deck­te einen Stand vol­ler Krü­ge, in je­dem da­von war ein an­de­rer Giel. Dari­an und Ami­na ver­zo­gen das Ge­sicht, als der sau­re Tee ih­re Lip­pen be­rühr­te. Doch sie wa­ren

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