Im Bann des Fluchträgers
was das Wort euch sagt? Ein Heer! Seht ihr nicht, dass es Kriegsschiffe sind, die dort am Großhafen gebaut werden? Das ist so, als würden wir selbst die Messer schmieden, um sie unseren Feinden zu verkaufen – mit bester Empfehlung und der Anleitung, wie sie uns damit die Kehlen durchschneiden.«
Gelächter hallte über den Tisch.
»Herrje, du Snaigesicht. Die Herrschaften ziehen in den Krieg. Was geht uns das an?«
»Mon sagt, wir bauen Schiffe um ein Heer überzusetzen. Dafür hätten offene Fähren gereicht. Aber was ist, wenn sie die Absicht haben, erst ihren Krieg zu führen – und dann zurückzukehren und Dantar einzunehmen?«
»Nun hört euch diesen besoffenen Dummkopf an!«
Amina warf Ravin einen vielsagenden Blick zu. Der Mann mit der trunkenen Stimme war auf dem besten Weg, sich ein paar Ohrfeigen einzuhandeln. Ravin zuckte zusammen, als hinter ihm ein Becher zerbrach.
»Mon ist nichts als ein kurzsichtiger, käuflicher Ziegenhintern!«, schrie der Mann nun. Die Stimme, die ihm in der plötzlichen Stille antwortete, klang sehr ruhig und gefährlich. Amina duckte sich tiefer über ihren Fischteller und bedeutete Ravin und Darian, dass es besser wäre, sich in Richtung Tür zurückzuziehen.
»Mon hat die Stadt mit diesem Auftrag wieder reich gemacht, ist das klar? Und dieses Heer ist vielleicht nicht angenehm, aber in vier Tagen legt es ab. Und lässt eine Menge Dantare hier. Geld, mit dem sich viele Kapitäne, die bei dem Sturm alles verloren haben, wieder ein Schiff kaufen können.«
»Geliehenes Geld ist das! Blutgeld! Ich habe mit den Bauern gesprochen. Sie haben Angst und werden jede Nacht von Gespenstern mit glühenden Augen heimgesucht! Und nicht nur das. Im Heer reiten dämonische Reiter mit, die dem Feuer befehlen. Habt ihr nicht von dem Gehöft gehört, das vergangene Nacht abgebrannt ist?«
Für einige Augenblicke war es still. Man hörte nur das Brodeln des Giel. Dann räusperte sich die alte Fischerin.
»In einem so heißen Sommer kommt es vor, dass ein Gehöft brennt.«
Zustimmendes Gemurmel überall.
»Betrunkener Raufbold!«, kam eine unfreundliche Stimme von der anderen Seite des Raumes. »Seit deine Barke abgesoffen ist, siehst du überall Gespenster!«
Die Spannung löste sich in dröhnendem Gelächter.
»Frag die Strohhüte da hinten, die Bauern. He, ihr da! Habt ihr Gespenster in der Scheune?«
Ravin brauchte einen Moment, bis er begriff, dass Darian und er gemeint waren. Darian drehte sich zu den Fischern um.
»Eine Gegenfrage, Herr Fischer«, sagte er und lachte, als wäre das Gespräch nicht ernst zu nehmen. »Seid ihr Skigga schon einmal begegnet?«
Verblüffte Gesichter wandten sich zu ihnen um. Amina duckte sich noch tiefer über den Fischteller.
»Da hörst du es. Er hat genauso viele Gespenster gesehen wie wir Skiggas!«, dröhnte es am Nebentisch.
»Die Skigga gibt es nicht. Sie ist ein Märchen, ein Kinderschreck.«
Ravin spürte, wie Amina wütend wurde. Trotz Darians warnendem Blick drehte sie sich zu den Fischern um.
»Und was ist das?«
Bevor Ravin erkannte, was sie vorhatte, hatte sie bereits Skiggas Dorn aus seinem Gurt gezogen und ließ ihn klappernd auf den Tisch fallen. Einen Wimpernschlag lang glotzten vierzig Augenpaare auf den Tisch, dann brach schallendes Gelächter los. Eine riesige Hand sauste kameradschaftlich auf Ravins Rücken herab und drückte ihm alle Luft aus den Lungen, sodass er husten musste. Die alte Fischerin wischte sich Lachtränen aus den Augen.
»Das sieht jeder Blinde: ein ganz gewöhnlicher Snaizahn, wenn auch ein recht großer. Guter Scherz! Für einen Moment hast du mich verblüfft!«
Ravin und Darian standen auf. Ravin hakte Amina unter, entschuldigte sich – und zerrte sie mit sich. Er atmete erst auf, als die
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