Im Bann des Fluchträgers
winzigen Fischerboote dahin, Fackeln schwenkten über das Wasser.
Als sie am Ende der Bucht angekommen waren, bogen sie in eine Straße ein, die Kochgraben hieß. Sie gingen um eine Ecke und standen am Anfang einer von zwei Fackeln beleuchteten Gasse, die weitgehend menschenleer war. Auf der rechten Seite entdeckten sie eine schartige Holztür, auf die man mit ungeschickten Pinselstrichen ein aufgerissenes Maul mit triefenden Zähnen gemalt hatte. Über der Tür stand eine Inschrift, die Ravin mühsam entzifferte.
Er berührte Darian am Arm und deutete auf die Tür.
»Wenn ich mich nicht irre, heißt die Gaststätte Skiggas Ruh.«
Amina kniff die Augen zusammen. Einige Augenblicke betrachteten sie das gemalte Ungeheuer. Dann zuckte Darian die Schultern und drückte die Klinke hinunter.
»Darian! Was machst du da?«
»Ich will sehen, wie es in Skiggas Ruh aussieht. Wenn ihr nicht mitkommen wollt, geht einfach die Gasse entlang und biegt vorne links ab. Dort ist Ujas Herberge.«
Und schon war er eingetreten. Ravin und Amina sahen sich verdutzt an und folgten ihm.
Stimmengewirr schlug ihnen entgegen, als sie die schmale Steintreppe hinunterstiegen. In der Schänke roch es nach gebratenem Fisch und Ruß. Etwa zwanzig Fischer und Fischerinnen saßen an niedrigen Tischen. Im Hintergrund köchelte über einem Steinofen ein riesiger Kessel mit grünlichem Giel. Handgroße runde Fische ragten Maul voran an langen Stäben schräg über der Glut. Über dem Ofen waren weitere verrußte Malereien zu sehen: ein zahnbewehrtes Maul, das ein Schiff in zwei Teile biss, schreiende Menschen dümpelten ringsherum in den Wellen. Auf dem Bild daneben erkannte man einen dornenbewehrten Peitschenschwanz, der alle drei Masten eines gewaltigen Schiffes in Stücke schlug. Ravin wandte den Blick ab.
Darian hatte inzwischen drei Becher Tee und einen Teller voller Fische geholt.
Wortfetzen und Gelächter zogen an ihnen vorbei. Eine alte Fischerin mit narbigem Gesicht spielte am Nebentisch zwei Händlern ein Würfelspiel. Vorsichtig biss Ravin in das heiße Fleisch, das von einer hellen Kruste umgeben war – Honigteig! Amina kostete ebenfalls von ihrem Fisch, riss überrascht die Augen auf und biss gleich noch ein Stück ab.
»So etwas Gutes habe ich noch nie gegessen«, sagte sie mit vollem Mund. Darian blickte sich verstohlen um.
»Hier ist Skigga bestens bekannt. Habt ihr das Bild über der Tür gesehen, auf dem sie zwei Matrosen die Köpfe …«
»Nein«, antworteten Amina und Ravin wie aus einem Mund. Darian stutzte, dann zuckte er mit den Schultern.
»Tja, jetzt können wir lange warten, bis Flut wieder aufgebaut wird«, nörgelte eine trunkene Stimme rechts hinter Ravin. Unauffällig drehte er den Kopf und lauschte.
»Ach, dein Klio hatte von Anfang an keine Chance«, kam eine dunkle Frauenstimme von der anderen Seite des Tisches.
Die erste Stimme protestierte: »Er hätte eine gehabt, wenn diese Bande von Schwarzmänteln nicht in der Stadt aufgetaucht wäre!«
Ravin verschluckte sich.
»Mon war es doch, der ihnen sofort auf den Knien entgegenkroch und ihnen die Stiefel küsste!«
»He, sag nichts gegen Mon, alter Saufkopf!«, wies ihn die Frau zurecht. »Mon ist jetzt unser oberster Fischerrat – und er hat es verdient! Hätten unsere Schiffbauer sonst so viel zu tun? Seit der Flut ist diese Stadt doch ein E lend! Erst seit Mon die Schiffe bauen lässt, haben die Kapitäne wieder Arbeit, ebenso die Schiffbauer und die Matrosen. Und den Bauern kommt es auch gelegen, schließlich will das Heer vor der Stadt versorgt sein.«
Zustimmendes Brummen am Tisch. Doch der Mann mit der trunkenen Stimme gab nicht auf.
»Eben das ist es, was mir nicht gefällt. Ein Heer! Hört ihr denn nicht,
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