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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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an­er­ken­nend auf die Schul­ter, als Ladro schil­der­te, wie ge­schickt Ra­vin Su­mal Ba­ji zu der Rei­se über­re­det hat­te.
    Ami­na war vor al­lem Ladro ge­gen­über sehr freund­lich. Ra­vin hat­te den Ver­dacht, dass sie sich doch dar­an er­in­ner­te, ihn bei­na­he ge­tö­tet zu ha­ben. Ladro da­ge­gen ließ sich nichts an­mer­ken, lach­te so­gar mit ihr und er­wi­der­te ih­re Um­ar­mung, mit der sie ihn be­grüß­te. Ra­vin wur­de aus Ladro nicht schlau. Er wuss­te, dass er ihm ver­trau­en konn­te. Und doch, das un­be­stimm­te Ge­fühl, dass Ladro und Ami­na et­was ganz an­de­res ver­band als Freund­schaft oder so­gar Lie­be – die­ser Ge­dan­ke ver­setz­te ihm einen Stich –, ließ ihn nicht los.
     
    Be­reits am Vor­tag war Ra­vin die Stadt be­völ­kert er­schie­nen, doch im Ver­gleich zum heu­ti­gen Tag wa­ren es nur ein paar ver­streu­te Fuß­gän­ger ge­we­sen. Über Nacht hat­te die Stadt ihr Fest­ge­wand an­ge­legt. Aus je­dem Fens­ter hin­gen nicht nur die rot­wei­ßen Tü­cher, son­dern auch bun­te Kurz­tü­cher, die an dün­nen Sei­len quer über die Stra­ßen ge­spannt wa­ren. In Ami­nas und Darians Ge­sich­tern las Ra­vin das­sel­be Er­stau­nen, das er am Tag zu­vor ge­fühlt hat­te. An­fangs scho­ben sie sich mit ge­senk­ten Köp­fen durch die Stra­ßen, bald je­doch steck­te die Fröh­lich­keit um sie her­um sie an, sie staun­ten, blie­ben mit of­fe­nen Mün­dern vor ei­ner Grup­pe Fi­scher ste­hen, die drei rie­si­gen aus­ge­höhlten Wal­zäh­nen grau­en­haf­te Tö­ne ent­lock­ten und lie­ßen sich wei­ter trei­ben. Ami­nas düs­te­rer Ge­sichts­aus­druck wich ei­nem fas­sungs­lo­sen Stau­nen – und bald schon lä­chel­te sie. Auch Ra­vin konn­te nicht um­hin, ihn er­fass­te der Tru­bel, die Mu­sik vi­brier­te durch sei­ne See­le, puls­te in sei­nem Blut und brach­te sei­ne Bei­ne zum Schwin­gen. Je­de Bri­se, die vom Meer ih­re Ge­sich­ter kühl­te, trug einen Teil sei­ner Sor­gen da­von. Und schließ­lich sag­te ihm ei­ne lei­se, lus­ti­ge Stim­me in sei­nem In­ne­ren, dass es kei­ne Rol­le spiel­te, wenn sie die Vor­rä­te nicht so­fort kauf­ten, son­dern sich erst ein­mal die Stadt an­sa­hen. Er wür­de Jo­lon da­von er­zäh­len. Jetzt, im Son­nen­licht, fühl­te er sich stark und zu­ver­sicht­lich.
    Ami­na fass­te ihn am Arm und deu­te­te auf einen Klei­der­markt. Noch nie hat­te Ra­vin so vie­le Stof­fe auf ein­mal ge­se­hen. Mehr als tau­send Jah­re könn­ten al­le La­ger im gan­zen Tjärg­wald we­ben – und im­mer noch wür­den sie nie­mals so vie­le präch­ti­ge, fe­der­leich­te Tü­cher fer­tig stel­len. Ei­ni­ge von ih­nen wa­ren so fein, dass man durch sie hin­durch­bli­cken konn­te und die Welt da­hin­ter in ro­ten, blau­en und gol­de­nen Ne­beln ver­sank. Ehe Dari­an und Ra­vin sichs ver­sa­hen, war Ami­na ver­schwun­den und kehr­te kurz dar­auf mit ei­nem die­ser durch­sich­ti­gen Tü­cher und zwei Stroh­hü­ten zu­rück. »Nie­mand soll uns er­ken­nen«, sag­te sie ver­schmitzt und drück­te Ra­vin den Hut in die Stirn. An­schlie­ßend brei­te­te sie den Schlei­er über ihr Haar und sah nun aus wie ei­ne ganz ge­wöhn­li­che Städ­te­rin. Den­noch war die­se Vor­sichts­maß­nah­me un­nö­tig, denn Ra­vin hat­te weit und breit noch kei­nen Hor­jun ent­deckt. Er­staunt be­merk­ten sie, dass al­le Men­schen hier Ket­ten aus viel­far­bi­gen Ko­ral­len tru­gen. Auch die Män­ner und selbst die Kin­der wa­ren für die­sen Fest­tag da­mit her­aus­ge­putzt. Vie­le Stän­de wa­ren mit fri­schen Blü­ten ge­schmückt. Wenn man an ih­nen vor­bei­ging, ver­misch­te sich der zar­te Duft mit dem Aro­ma von Räu­cher­fisch, ein an­ge­neh­mer, doch be­täu­bend in­ten­si­ver Ge­gen­satz.
    Als die Son­ne so hoch stand, dass selbst die Schat­ten ver­schwan­den, ka­men sie auf einen großen Markt. Ra­vin muss­te sich den Hals ver­ren­ken um ihn ganz zu über­bli­cken. Rechts von ih­nen er­hob sich ein Haus, das präch­ti­ger ge­schmückt war als al­le an­de­ren. Die Fens­ter wa­ren so hoch, dass die Men­schen da­ne­ben win­zig wirk­ten. Arm­di­cke Flech­ten von ge­trock­ne­tem Tang, in die

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