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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Dari­an. »Habt ihr Ap­pe­tit auf ein Stück Mäh­nen­schlan­ge?« Ami­na ver­zog den Mund.
    »Aber we­nigs­tens die Fest­lich­kei­ten soll­ten wir uns an­se­hen«, fuhr Dari­an fort. Sie brauch­ten nicht lan­ge um wie­der auf die brei­te Stra­ße zu tref­fen, die zum Markt führ­te. Mu­sik und Stim­men­ge­wirr bra­chen über sie her­ein wie ei­ne Wo­ge, als sie die letz­te Bie­gung hin­ter sich brach­ten und wie­der auf dem Markt­platz stan­den. Die Son­ne stand so schräg, dass sie rie­si­ge Schat­ten auf die hel­len Häu­ser­wän­de mal­te. Das wei­ße Ge­bäu­de war er­leuch­tet. Die Krü­ge stan­den nun auf dem Kopf. Vor je­dem häuf­te sich ein Berg ein­far­bi­ger Mu­scheln. Der Berg mit den hell­brau­nen Mu­scheln war der größ­te. Of­fen­bar wa­ren die Mu­scheln ge­zählt wor­den, denn Ra­vin ent­deck­te, dass die Fi­scher, die am Vor­mit­tag war­tend ne­ben den Krü­gen ge­ses­sen hat­ten, sich Krei­de­staub von den Fin­gern klopf­ten. End­lo­se Ab­fol­gen von Stri­chen wa­ren auf dem Bo­den zu se­hen.
    »Auf Mo­ni«, rief ei­ne Frau ne­ben Ra­vin und ein paar Leu­te, die Ket­ten aus hell­brau­nen Mu­scheln um den Hals tru­gen, pros­te­ten ihr zu: »Auf Mon!«
    Ein Mann trat auf den Bal­kon. Sei­nen kah­len Schä­del schmück­te ein Kranz aus ge­trock­ne­tem See­tang. Er lach­te über das gan­ze dunkle Ge­sicht und wink­te. Mons An­hän­ger ju­bel­ten und tob­ten. Am Ran­de des Plat­zes er­späh­te Ra­vin ein ru­hi­ges Plätz­chen und zog Dari­an und Ami­na mit sich. Be­trun­ke­ne rem­pel­ten sie an, als sie sich einen Weg durch die Men­ge bahn­ten. End­lich, an ei­nem Giel-Stand, ka­men sie zum Ste­hen und hat­ten wie­der et­was Luft. Zwei kräf­ti­ge Män­ner tru­gen ein rie­si­ges Ta­blett mit blut­trie­fen­den Fleisch­stücken zu ei­nem To­no­fen. An ei­nem der Fleisch­bro­cken hing noch ein Fet­zen glit­schi­ger Mäh­nen­haut. Ra­vin hat­te bei die­sem An­blick das Ge­fühl, als wür­de sich ihm der Ma­gen um­dre­hen.
    Mu­sik hat­te ein­ge­setzt, ein wil­der Tanz aus Klat­schen, Wal­zahn­ge­sän­gen und ei­nem In­stru­ment, das aus­sah wie ein fla­cher Holz­sat­tel, über den ei­ni­ge Seh­nen ge­spannt wa­ren. Als der Spie­ler mit schwie­li­gen Fin­gern dar­über strich, gab das In­stru­ment Tö­ne von sich, die sich wie das Jau­len ei­nes Hun­des an­hör­ten. Tromm­ler stan­den da­ne­ben und schlu­gen mit le­de­r­um­wi­ckel­ten Hän­den auf aus­ge­höhlte, mit Zie­gen­haut über­zo­ge­ne Ja­lafrüch­te. Die Men­ge stampf­te und klatsch­te. Als hät­te sich der Him­mel an die Mäh­nen­schlan­ge er­in­nert, färb­te die Son­ne sich rot, hielt die Er­in­ne­rung an das fest­li­che Blut­ver­gie­ßen ei­ne Zeit lang am Him­mel – bis schließ­lich der dunkle Schlei­er der Däm­me­rung den Abend­him­mel ver­hüll­te und sich über den Markt­platz senk­te. Fa­ckeln lo­der­ten auf, je­des Ge­räusch war plötz­lich kris­tall­klar. Der Duft von ge­bra­te­nem Schlan­gen­fleisch weh­te zum Giel-Stand her­über. Und der Tanz ging wei­ter. Erst jetzt be­merk­te Ra­vin, dass Ami­na nicht mehr ne­ben ihm stand. Dari­an fing sei­nen be­sorg­ten Blick auf und deu­te­te in die Men­ge – und da ent­deck­te Ra­vin sie. Sie tanz­te! Ihr Tuch flog bei je­der Be­we­gung, sie lach­te und klatsch­te mit den an­de­ren. Die Nar­be war un­ter dem Tuch ver­bor­gen. Im Fa­ckel­schein wirk­te ihr Ge­sicht gar nicht mehr dun­kel und un­heim­lich, es war fröh­lich und un­glaub­lich schön und klar. Einen ver­zau­ber­ten Au­gen­blick lang er­schi­en es Ra­vin, als sei die Zeit ste­hen ge­blie­ben. Ami­nas La­chen trieb zu ih­nen her­über. Und die ers­ten Ster­ne er­wach­ten am Him­mel. Für einen un­be­stimm­ten Mo­ment lang ge­stand Ra­vin sich ein, dass er trotz al­lem glück­lich war.
    Auf dem Rück­weg wa­ren sie schweig­sam. Mit je­dem Schritt lie­ßen sie den Fest­lärm wei­ter hin­ter sich. Ami­na war er­schöpft und au­ßer Atem, doch ih­re Au­gen leuch­te­ten. Sie nah­men den Weg, der am Klei­nen Ha­fen ent­lang­führ­te, wo die Ru­der­boo­te ver­täut wa­ren. Wie ein Spie­gel lag das Meer vor ih­nen. Weit drau­ßen glit­ten be­reits wie­der die

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