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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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ei­nem ge­flüs­ter­ten Dank an Elis – es war ein Füh­rungs­seil! Mit neu­em Mut ging er Schritt für Schritt am Seil ent­lang, stieg hin­ab in pech­schwar­ze Kam­mern, in de­nen er die Au­gen schloss, da ihn die Vor­stel­lung von Blind­heit be­un­ru­hig­te. Er klet­ter­te über Ge­röll­hau­fen, hör­te viel­glie­dri­ge Bei­ne, die vor ihm flo­hen, doch er igno­rier­te den Schre­ckens­schau­der, der ihm die Haa­re zu Ber­ge ste­hen ließ, und ging wei­ter. Nach we­ni­gen Bie­gun­gen, de­nen er am Seil ent­lang folg­te, be­gann ihn sein Zeit­ge­fühl zu ver­las­sen. Hin­ter sich hör­te er ein Ge­räusch, das an­ders war als das Trip­peln und Schar­ren der blin­den In­sek­ten. Es war ein Strei­fen, kaum ver­nehm­bar, ein schlei­chen­der Schritt. Ra­vin schluck­te, Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er ver­such­te sich zu be­ru­hi­gen, in­dem er sich sag­te, dass sei­ne Ein­bil­dung und die Dun­kel­heit ihm einen Streich spiel­ten. An sei­nem Griff am Füh­rungs­seil spür­te er, wie sehr sei­ne Hand zit­ter­te. Wenn es ei­ne Mar­tis­kat­ze war, könn­te sie ihn zwar hier er­le­gen – aber auch sie wür­de in der ab­so­lu­ten Dun­kel­heit nicht mehr se­hen als er. So lei­se wie mög­lich tas­te­te er nach sei­nem Schwert und ging rück­wärts. Für einen ent­setz­li­chen Mo­ment glaub­te er das Tap­pen von Schrit­ten zu hö­ren, et­was be­weg­te sich auf ihn zu – mal auf zwei, mal auf vier Bei­nen. Er hielt die Luft an und tas­te­te sich wei­ter. Ganz plötz­lich streif­te et­was das Seil! Es vi­brier­te, dann lag es wie­der still in Ra­vins Hand. Das Schar­ren war ver­stummt.
    Nach end­lo­sen Schrit­ten, die er längst nicht mehr zähl­te, nach meh­re­ren Stür­zen und ei­nem na­men­lo­sen Grau­en im Ge­nick, be­gann er end­lich, end­lich die Um­ris­se von kan­ti­gen Wän­den zu er­ken­nen. Das Seil en­de­te in ei­nem Kno­ten an ei­nem ros­ti­gen Ring in der Wand, dann folg­te ein schma­ler Gang, durch den er auf Kni­en und Hän­den krie­chen muss­te. Plötz­lich be­rühr­ten sei­ne Fin­ger son­nen­war­mes Gras. Ta­ges­licht blen­de­te ihn. Er schloss die Au­gen und ließ sich fal­len, roch die Er­de, die Hal­me, sog den Duft des Wal­des tief in sei­ne Lun­gen und war für einen Mo­ment glück­lich, ob­wohl sei­ne Schul­tern schmerz­ten und sei­ne Zäh­ne noch im­mer von der Käl­te im In­ne­ren des Ber­ges klap­per­ten. Lan­ge Zeit saß er im Gras, blin­zel­te und wärm­te sich auf, bis er vor lau­ter Blin­zeln in einen traum­lo­sen Schlaf sank.
     
    W
    ach auf!«, flüs­ter­te ei­ne Stim­me in sein Ohr. Ne­ben ihm knis­ter­te und pras­sel­te es, als sei ein La­ger­feu­er in der Nä­he. Wär­me brei­te­te sich auf sei­ner Wan­ge aus. Ra­vin schlug die Au­gen auf und er­schrak. Zwei lo­dern­de Son­nen blick­ten ihn an, flam­men­des Haar zün­gel­te ihm ent­ge­gen, ein Fun­ken­re­gen um­wir­bel­te ein Mäd­chen­ge­sicht. Der lau­ni­sche Feu­er­mund lach­te ihn an.
    »Ich will nur einen Kuss!«, bat das Flam­men­mäd­chen und streck­te Ra­vin zwei Hän­de wie La­va­strö­me ent­ge­gen. Has­tig rutsch­te er ein Stück zu­rück, bis sein Rücken den Fels be­rühr­te. Das Feu­er­mäd­chen rich­te­te sich auf, wir­bel­te um sich selbst und blieb dann ste­hen, ei­ne schlan­ke Flam­me, die im Wind zit­ter­te. Ihr Ge­sicht war sanft und vol­ler Sehn­sucht, weich ge­schwun­gen ih­re Wan­gen. Ihr Flam­men­haar zün­gel­te über Rücken und Schul­tern, um­floss klei­ne, run­de Brüs­te, teil­te sich wei­ter un­ten und gab den Blick frei auf den ener­gi­schen Schwung ih­rer Hüf­ten und auf weiß glü­hen­de Bei­ne, die in ei­nem Fun­ken­wir­bel en­de­ten.
    »Du musst mich nicht küs­sen, wenn du nicht möch­test«, sag­te sie und lach­te wie­der ihr pras­seln­des La­chen. »Dann küs­se ich dich eben spä­ter – wenn du schläfst.«
    Ra­vin mach­te den Mund zu und stand auf.
    »Warum willst du mich küs­sen?«, frag­te er.
    »Du ge­fällst mir«, sag­te sie und fla­cker­te über­mü­tig. »Weil du kei­ner von den Er­lo­sche­nen bist. Die kann ich nicht lei­den. Es sind in­zwi­schen so vie­le, das wird lang­wei­lig! Du da­ge­gen bist ei­ner von den Hor­jun. Du brennst nicht nur

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