Im Bann des Highlanders
dass du nicht dabei sein kannst. Vielleicht ist es möglich, dass du von einem Fenster im Gang aus einen Blick auf den Burghof werfen kannst. Abends werden die meisten Männer ohnehin betrunken sein und nicht darauf achten, ob jemand am Fenster steht«, überlegte Màiri laut. »So hättest du wenigstens etwas von dem Fest.«
Joan plagten ganz andere Sorgen; sie musste unbedingt einen Weg aus der Burg herausfinden. Vielleicht bot die cèilidh eine Gelegenheit dazu?
Dieser Gedanke hatte sich in Joan festgebrannt und ließ sie nicht mehr los. Zwar hatte sie noch keine Ahnung, wie sie sich durch das Burgtor schummeln sollte, aber zumindest bestand nun die Hoffnung auf Freiheit.
Bevor sie einschlief, musste sie wieder an Ceana Matheson denken. Aus welchem Grund hatte ihre Urahne sie in die Vergangenheit geholt, wie sie es schon einmal bei Großmutter Fiona versucht hatte? Seit dem Aufenthalt im Lager der Gesetzlosen hatte Joan keinerlei Zeichen mehr von Ceana erhalten, ihr Schlaf war schwer und traumlos. Doch sie spürte, dass sie nicht grundlos ins Jahr 1731 gelockt worden war.
»Seid Ihr jetzt mit mir zufrieden?« Ewan verbeugte sich tief mit spöttischer Miene, nachdem er an die Tür geklopft und die Kammer betreten hatte. Ob Màiri wohl ein ernstes Wort mit ihrem ungehobelten Bruder gesprochen hatte?
In gespielter Würde nickte Joan. »Ich sehe, Ihr seid lernfähig.« Um ein Haar hätte sie hinzugefügt: ‚Was führt Euch zu mir?’ Aber das klang ihr dann doch zu hochtrabend.
Ewan hockte sich auf die Kante des Tisches. »Habt Ihr mich gestern Abend vermisst?« Und als sich ihre Miene verschloss, fügte er, immer noch grinsend, hinzu: »Sagt nichts, ich weiß auch so, dass Ihr nicht viel Wert auf meine Anwesenheit legt.«
»Dem kann ich nicht widersprechen.« Fast wütend stach sie das Webschiffchen zwischen den Spannfäden hindurch.
Eine Weile sah er ihr schweigend zu, dann sagte er: »Wenn Ihr den Rahmen weiterhin wie einen Feind behandelt, werdet Ihr niemals so feines Tuch wie meine Schwester weben.«
»Ich bin auch lernfähig«, gab sie mit honigsüßer Stimme zurück und schob den Webrahmen von sich. Ewans Anwesenheit machte sie nervös, auch wenn sie das nur ungern zugab.
Herausfordernd blickte sie ihn an und fügte hinzu: »Nun, wollt Ihr mich weiter verhören?«
Sie bemerkte, dass er wunderschöne, gleichmäßige weiße Zähne hatte, als er plötzlich lachte. »Ihr habt eine ziemlich spitze Zunge, Seonag. Ich glaube fast, Ihr habt kein Benehmen, denn sonst wüsstet Ihr, dass eine Lady niemals vorlaut und widerspenstig zu sein hat.«
»Das mag zwar auf den Highlands zutreffen, nicht aber auf das moderne London im Jahre ...«, konterte sie, und konnte sich gerade noch rechtzeitig zurückhalten, um sich nicht zu verplappern.
Ewan schien sie mit ihrem Gefühlsausbruch wenig beeindruckt zu haben, denn er hatte nichts als einen belustigten Blick für sie übrig. »So lange Ihr unser ‚Gast’ seid, wird Euch nichts anderes übrig bleiben, als sich den Gepflogenheiten meines Landes anzupassen.«
»Wenn es nach mir ginge, würde ich diese Art von Gastfreundlichkeit auf der Stelle beenden.« Sie streifte ihn mit einem giftigen Blick, um gleich darauf den Webrahmen weiter zu traktieren. »Niemand hat Euch gebeten, mich hierher zu verschleppen – und das auch noch völlig ungerechtfertigt! Man wird mich längst vermisst haben und nach mir suchen.«
Das war noch nicht einmal gelogen, allerdings würde sie niemand finden, solange sie sich im achtzehnten Jahrhundert aufhielt. All ihre Freunde würden erst in mehr als zweihundert Jahren geboren werden, ging es ihr durch den Kopf.
»Habt Ihr in London Familie?«, fragte Ewan unvermittelt, dabei klang seine Stimme wieder etwas versöhnlicher.
Sie nickte beklommen, verspürte plötzlich wieder diese verzweifelte Sehnsucht nach ihrem Leben in der Zukunft.
»Dann gibt es also tatsächlich einen Mann, der mit Eurer Widerspenstigkeit zurecht kommt?«
Ihn traf ein weiterer bitterböser Blick, bevor sie hervorstieß: »Ich bin nicht verheiratet und habe auch keine Kinder, wohl aber eine Mutter und viele Freunde. Was geht es Euch überhaupt an?« Sie machte eine heftige Handbewegung, dabei glitt ihr das Webschiffchen aus der Hand und fiel mit einem dumpfen Ton auf den Steinfußboden.
Ewan stand auf und bückte sich, und zur selben Zeit, als Joan nach dem Schiffchen griff, erreichte er es ebenfalls. Für den Bruchteil einer Sekunde berührten sich ihre Hände
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