Im Bann des Highlanders
verändert hatten, dass sie nur noch der Macht und dem Geld nachjagten und darüber das Lachen verlernt hatten.
Dieser Gedanke nahm Formen an, und was Joan völlig von der Hand gewiesen hätte, schien ihr plötzlich ganz normal zu sein: Sie würde zurück ins Jahr 1731 gehen, und zwar für immer. Denn wenn sie Ceanas Wunsch erfüllt hatte, würde sich der Zeittunnel schließen und ihr unheimliches Grab als ein harmloses Erdloch zurück bleiben.
Natürlich wollte Joan nicht nur zurückgehen, um ihre Mission zu erfüllen, sondern um in Ewans Nähe zu sein – auch wenn sie nicht wusste, ob er sie nicht längst vergessen hatte. Doch dann erinnerte sie sich daran, dass alles was sie im Jahre 1731 erlebt hatte in der Neuzeit nur wenige Stunden gedauert hatte. Würde es genauso sein, wenn Joan abermals ins achtzehnte Jahrhundert reiste? Verging die Zeit, in der sie sich gerade nicht befand, langsamer als die, in der sie lebte?
Fragen über Fragen, auf die Joan keine Antwort wusste und die ihr Kopfschmerzen bereiteten. Die Musik war ihr zu laut, die Stimmen der Sänger zu schrill und die Tanzeinlagen zu steif. Noch vor wenigen Wochen allerdings wäre sie begeistert von diesem Musical gewesen.
Ted hatte recht, sie hatte sich verändert. Sie fühlte sich in der modernen Zeit nicht mehr wohl, fühlte sich fehl am Platz und einsam. Von einer plötzlichen Euphorie ergriffen, begann Joan die Aufführung zu genießen. Wenn alles gut ging, würde sie Ewan bald wiedersehen und die liebenswerte Màiri! Diese Erkenntnis war so ungeheuerlich und gleichsam aufregend, dass Joans Herz schneller schlug und sie lachte, als ihr Sitznachbar einen Scherz machte.
Auch später, als die Mitarbeiter der Agentur den Abend mit einem Restaurantbesuch abschlossen, beteiligte sich Joan wie früher an den Gesprächen und machte amüsante Anmerkungen.
Ihr entging nicht Teds überraschte Miene, seine Assistentin schien von einem Tag auf den anderen ihren Kummer überwunden zu haben – hätte er gewusst, was für einen Mann Joan liebte, würden ihm vor Grausen wohl die Haare zu Berge stehen.
Doch schon am nächsten Tag kamen Joan die ersten Zweifel an ihrem kühnen Vorhaben. Sie musste damit rechnen, dass der Zeittunnel für immer geschlossen war, sowie Ceanas Seele ihren Frieden gefunden hatte, denn mit dieser Handlung war die Mission erfüllt und der Tunnel hatte keine Verwendung mehr.
War es Zufall oder Absicht gewesen, dass Joan ausgerechnet im Jahre 1731 gelandet war – was war, wenn sie sich bei einer weiteren Reise einige Jahre früher wiederfand, in der Ewan und Màiri noch Kinder waren? Oder später, wenn Ewan eine andere Frau geheiratet hatte ... oder bei einer der Schlachten gegen die Engländer gefallen war?
Vom vielen Grübeln bekam Joan Kopfschmerzen, das Risiko einer weiteren Zeitreise war viel zu groß. Nur ungern erinnerte sie sich an die Berichte, die sie im Internet gelesen hatte. Selbst wenn die Reise klappte, wenn Ewan Joan wollte und der Groll, den Laird Dòmhnall gegen die vermeintliche Hexe hegte, erloschen war, standen dem Clan schwere Zeiten bevor – und Joan war dann mittendrin, war ein Teil dieser schottischen Gemeinschaft, die bald von den Engländern vernichtet werden sollte.
Und dann dachte Joan an ihre Mutter, die sie nie wiedersehen würde. Dieser Gedanke schmerzte genauso sehr wie der, Ewan und Màiri nicht mehr sehen zu dürfen.
»Was soll ich nur tun?«, stöhnte Joan, goss sich noch ein Glas Wein ein und stützte den Kopf in die Hände. Es war Wochenende, eines von jenen, an denen es draußen kaum hell wurde und der Regen gar nicht mehr aufhören wollte. Der Sommer war vorüber, seit fast drei Monaten befand sich Joan nun wieder zu Hause – und entgegen ihrer Hoffnung, dass die Zeit alle Wunden heilte, wurde der Schmerz größer.
Das einstige Rot der Blütenblätter der kleinen Blume war inzwischen einem dunklen Rostrot gewichen, doch Joan bildete sich immer noch ein, die Blüten verströmten einen zarten Duft.
Das unvermittelte Klingeln des Telefons ließ Joan zusammenfahren. Ihre Mutter war am Apparat und sie hatte eine erfreuliche Neuigkeit.
»Simon und ich werden uns am nächsten Wochenende verloben«, sagte sie, und ihre Stimme zitterte dabei leicht vor Erregung. »Stell dir vor, er möchte mich so schnell wie möglich heiraten!«
»Das ... das ist wundervoll, Mom.« Für einen kurzen Augenblick stellte Joan ihren Liebeskummer hinten an und freute sich mit ihrer Mutter. »Wollt ihr groß
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