Im Bann des Highlanders
ihrer Urahne, und allmählich begann es Joan zu dämmern: Ceana flehte um Erlösung, ihr Geist bat darum, ihre sterblichen Überreste in geweihter Erde zu begraben, weil sie nichts Unrechtes getan und nie etwas mit schwarzer Magie zu tun gehabt hatte. Nur wegen böser Gerüchte, an denen nichts Wahres gewesen war, hatte man sie gefangen genommen und ermordet. Seitdem wanderte ihre Seele ruhelos durch die Zeit, um nach einem Blutsverwandten zu suchen, der ihr zu ewiger Ruhe verhalf.
Joan hatte mit eigenen Augen gesehen, dass nichts mehr von den Gebeinen übrig geblieben war, sie waren in dem feuchten Erdloch vermodert – aber im Jahre 1731, 28 Jahre nach der Hinrichtung, waren sie noch gut erhalten, sodass man sie bergen und auf einem Friedhof begraben konnte.
Diesen Teil ihrer Zeitreise hatte Joan bis zu der Nacht verdrängt, als die Träume erneut begannen; doch nun machte sie sich vermehrt Gedanken darüber. Das also war also ihre Mission gewesen: Ceana hatte versucht, Großmutter Fiona in die Vergangenheit zu locken, und da sie vorher gestorben war, hatte sie Fionas Enkelin auserwählt. Wie vielen Vorfahren war Ceana wohl schon im Traum erschienen und hatte um Erlösung gefleht, bis sie jemand gefunden hatte, der ihr Wehklagen ernst nahm?
Ironie des Schicksals war allerdings, dass sie sich in den Mann verliebt hatte, dessen Vater einst für die Hinrichtung verantwortlich gewesen war.
Nach diesen Erkenntnissen hörten die Träume schlagartig auf, doch Joan wusste instinktiv, dass sie nach einer gewissen Zeit wieder einsetzen würden, wenn sie nicht handelte.
All diese Dinge gingen Joan durch den Kopf, während sie in der Agentur saß.
»Darf ich kurz stören?« Unvermittelt stand Ted vor ihrem Schreibtisch, er lächelte nachsichtig. »Du scheinst ja völlig in deiner neuen Aufgabe aufzugehen. Ich habe dreimal angeklopft, aber du hast überhaupt nicht reagiert.«
Sofort richtete sie sich kerzengrade auf und fuhr sich mit den gespreizten Fingern beider Hände lässig durch die rote Mähne. »Entschuldige, ich habe dich tatsächlich nicht gehört. Was gibt es?«
Ted setzte sich auf die Schreibtischkante und warf einen schrägen Blick auf Joans Entwürfe, die lediglich aus ein paar Kritzeleien bestanden. »Bist du verliebt?«
»Wie bitte?« Sie starrte ihn entsetzt an, dabei spürte sie, wie das Blut in ihren Kopf stieg. »Wie ... wie kommst du denn darauf?«
Er lachte und wies amüsiert auf Joans Skizzen. »Das war nicht schwer zu erraten, sieh dir nur die vielen Herzchen an, die du gemalt hast.«
Sie schielte auf das Papier vor sich und erbleichte. Ganz oben stand der Name des Waschmittels, darunter ein paar Schlagworte – der Rest des Blattes war mit Herzen in den unterschiedlichsten Größen übersät.
»Das muss dir doch nicht peinlich sein, Joan«, bemerkte Ted, dem ihre Verlegenheit nicht entgangen war. »Du bist eine attraktive junge Frau, und ich frage mich schon seit langem, wann es endlich mal einem Mann gelingt, dein Interesse zu wecken.«
Joan stoppte mit einer heftigen Handbewegung seinen Redefluss. »Es ist nicht so, wie du denkst, denn ich werde ihn nie wiedersehen.«
»Oh«, machte Ted, er schien bestürzt zu sein. »Ihr habt euch getrennt, das tut mir sehr leid.«
»Die Umstände ließen es nicht zu, dass wir zusammenblieben.« Joan setzte ein Lächeln auf, obwohl sie sich lieber schluchzend an Teds Brust geworfen und ihm von Ewan erzählt hätte. »Weshalb bist du eigentlich hier?«
»Äh, ich wollte heute Abend bei einem Essen mit dir über unsere Arbeit reden, oder hast du schon etwas vor?«
»Nein.« Sie rieb sich über die Stirn. »Nein, ich habe Zeit für die Besprechung.«
Ted musterte sie mit einem besorgten Blick und stand auf. »Du hast dich seit deinem Urlaub verändert, Joan. Geht es dir wirklich gut?«
Sie nickte ihm zu, aber kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, brach Joan in Tränen aus, wie so oft in letzter Zeit.
Mit größter Aufmerksamkeit lauschte Joan den Worten ihres Chefs, der sie in eines der angesagten Szene-Restaurants eingeladen hatte. Normalerweise hätte Joan das gute Essen und die interessante Atmosphäre genossen, zumal es bei diesem Gespräch um ihre berufliche Zukunft ging.
Doch schon, als Joan sich zu Hause umgezogen hatte, war ihr bewusst geworden, dass sie keine Lust hatte, auszugehen. Viel lieber hätte sie sich in eine Ecke ihrer Kuschelcouch verzogen und von Ewan geträumt. Aber sie sah ein, dass sie sich zusammenreißen musste,
Weitere Kostenlose Bücher