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Im Bann des Maya-Kalenders

Im Bann des Maya-Kalenders

Titel: Im Bann des Maya-Kalenders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Stamm
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Flucht vor den irdischen Problemen denken, andere an eine Depression angesichts der Prüfungen, die jedem auferlegt wurden. Sie irren sich: Wir hinterlassen den Beweis dafür, dass unser Transit in der Glückseligkeit der Vollkommenheit erfolgt, in völliger Diskretion und in dem erlebten Bewusstsein einer exakten Wissenschaft und in Übereinstimmung mit den natürlichen Gesetzen der Materie und des Geistes, die in Wahrheit ›eins‹ sind.«
    Jo Di Mambro trieb seine Ordensanhänger mit einem ausgeklügelten Indoktrinationssystem in eine Endzeitneurose. Das Drama erscheint heute wie die perverse Tat eines größenwahnsinnigen Führers, der die Anhänger als Statisten für seine apokalyptische Inszenierung missbrauchte. Nachdem Di Mambro jahrelang seine Allmachtfantasien auf dem Buckel seiner Ordensleute ausgelebt und ein Sektenimperium aufgebaut hatte,
drohte ihm Anfang der 1990er-Jahre das finanzielle Debakel. Laut Huguenin war Di Mambro außerdem schwer krank.
    Das Sektendrama machte selbst Sektenexperten ratlos. Die Sonnentempler galten als kultiviert und äußerst sanftmütig, niemand hätte ihnen derart kaltblütige, minutiös geplante Morde zugetraut. Sie fassten die Schöpfung ganzheitlich auf und sahen das Göttliche selbst in den Steinen, Pflanzen und Tieren. Außerdem versuchten sie, die kosmischen Prinzipien zu erkennen und ihnen gerecht zu werden. Die Kultmitglieder gingen sehr behutsam mit allem Wesenhaften um. Gnade und Bescheidenheit waren zentrale Anliegen ihrer Heilslehre. Die Sonnentempler aßen kein Fleisch und ernährten sich nur mit biologisch erzeugten Nahrungsmitteln. Die Massaker der Sonnentempler deuten darauf hin, dass die Täter nicht mehr bei Sinnen waren. Die Indoktrination hatte ihr Bewusstsein verändert.
    Die wiederholten Massaker und kollektiven »Reisen« in höhere Sphären sind ein Musterbeispiel für einen apokalyptischen Wahn in sektenhaften Gruppen. Die Dramen zeigen mit aller Deutlichkeit, dass auch Glaubensgemeinschaften, in deren Heilstheorie die Apokalypse keine zentrale Rolle spielt, verhängnisvollen Endzeitvisionen erliegen können. Obwohl die Karma-und Reinkarnationstheorie teilweise im Widerspruch zu abendländischen Endzeitvorstellungen steht, entwickeln die meisten esoterisch-theosophischen Kultgruppen apokalyptische Ideen. Der Glaube an die Erleuchtung, die durch das Abtragen der karmischen Belastung in mehreren Leben erreicht werden soll, ist nämlich nicht vereinbar mit dem kollektiven Endzeitfanal, wie ihn die Sonnentempler vollzogen haben.
    Mit ihrem »Transit« lieferten die Sonnentempler die Bestätigung eines Phänomens, vor dem Sektenexperten schon vor Jahren warnten: Die tiefenpsychologischen Manipulationstechniken erzeugen kindliche Paradiesvisionen. Realitätsverlust und Wahrnehmungsverschiebungen treiben die Kultanhänger in eine Scheinwelt und in die emotionale Regression. In der Überzeugung,
in »feinstofflicher Form« in die kosmischen und astralen Sphären vordringen zu können, setzten sie ihrem Leben erwartungsvoll ein Ende und mordeten für den Guru. Nicht einmal die Liebe zu ihren Kindern ließ sie aus ihrem Wahn erwachen. Sie radierten auch das Leben ihrer Kultfreunde aus, weil sie überzeugt waren, sie zum Heil zwingen zu müssen. Jo Di Mambro machte seine okkulten Visionen zum Bestandteil der Heilslehre und zog die Anhänger in seine tödliche Scheinwelt. Konditioniert durch die Bewusstseinskontrolle hatten sie keine Möglichkeit mehr, die pathologischen Ideen des Kultleaders zu entlarven.
    Das Drama der Sonnentempler dokumentiert, dass sektiererische Verblendung und radikale Bewusstseinskontrolle die Anhänger von Kultgruppen zu Vollstreckern eines kapitalen Gewaltverbrechens machen können. Die Öffentlichkeit unterschätzte die unheilvolle Wirkung des religiösen oder spirituellen Fanatismus. Geht er eine Verbindung mit Endzeitideen ein, gerät die gruppendynamische Situation rasch außer Kontrolle.

18. Aum: Tödlicher Endzeit-Testlauf in Tokio
    Am 20. März 1995 starrte die Welt auf Japan. Was sich morgens um acht Uhr in der Untergrundbahn von Tokio abspielte, hätte Hollywood nicht dramatischer verfilmen können. In 16 Stationen begannen die Pendler gleichzeitig zu husten und zu erbrechen. U-Bahn-Arbeiter, die übelriechende, in Zeitungen eingewickelte Pakete entfernen wollten, brachen zusammen. Viele Passanten fielen wie von unsichtbarer Hand niedergestreckt zu Boden, Tausende würgten und rangen nach Atem. Die gespenstischen Szenen im

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