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Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)

Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)

Titel: Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Martin
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hielten sie am Straßenrand an, um zu essen, und als sie sich hinsetzten, entdeckten sie Knochen, die aus einem hastig geschaufelten flachen Grab ragten. Dann, vor zwei Tagen, stießen sie auf eine kleine Baumgruppe mit eigenartig schwingenden Ästen. Als sie näher kamen, konnten sie die Wahrheit sehen – dass die Bäume Galgen waren, an denen ein Dutzend Unglücklicher im Herbstwind baumelten. Schon ein oberflächlicher Blick bestätigte, dass hier eine militärische Hand im Spiel gewesen war: Die Schlingen waren zu regelmäßig für ein gewöhnliches Lynchen. Es war nicht schwer zu erraten, dass margolanische Truppen für irgendeinen – tatsächlichen oder ausgedachten – Verstoß Vergeltung geübt hatten.
    Es war jedoch die gestrige Begegnung, die für immer in ihrem Gedächtnis haften würde. Sie bemerkten eine Frau, die am Straßenrand ihr Baby in den Armen wiegte, und riefen ihr zu, sich doch der Gruppe anzuschließen. Erst dann sahen sie den Wahnsinn in ihren Augen und erkannten, dass es kein Baby war, das sie wiegte, sondern ein Holzklotz, der in eine zerrissene Decke gewickelt war. Sie delirierte vom Kommen der Soldaten, vom Feuer und von ihrer Familie, die dem Schwert überantwortet worden war, sogar die Kinder, schrie sie, alle bis auf ihr Kleinstes, und umarmte den Klotz ungestüm. Als die Flüchtlinge vorbeiströmten, schloss sie sich ihnen nicht an, sondern haderte in ihrem Kummer und Wahnsinn weiter und hielt nur inne, um den Holzklotz zärtlich an ihre Schulter oder, mit einer sanften Liebkosung, an ihre Brust zu drücken.
    Kiara war nicht darauf vorbereitet, wie tief das Schicksal der Flüchtlinge sie berührte, noch darauf, wie schnell sich ihr Misstrauen gegen Jared Drayke zuerst in Abscheu und dann in rasende Wut verwandelte. Als Thronerbin Isencrofts hatte man sie gelehrt, mit Entschlossenheit zu herrschen, aber auch mit aufrichtiger Sorge für ihre Untertanen. Obwohl ihre Erziehung ihr nur wenig Zeit unter Menschen von nicht vornehmer Geburt gelassen hatte, hatten die kurzen Einblicke, die sie ins bäuerliche Leben erhalten hatte, ihr ein Bild von harter Arbeit und wenig Besitz vermittelt, jedoch nicht von dem Elend, das diese armen Seelen durch Jareds Hand erfuhren.
    Das Ziel deiner Reise ist es, einen Weg zur Rettung Isencrofts zu finden, nicht zur Rettung der Welt , rief sie sich streng ins Gedächtnis. Doch je mehr Zeit sie unter den Flüchtlingen verbrachte, desto mehr bewegte sie ihr elendes Schicksal, und ein Teil ihres Selbst verlangte danach, Jared entmachtet zu sehen, auch wenn sie wusste, dass Margolans Angelegenheiten sie nichts angingen.
    Ständig musste sie an Cam und Carina und das schreckenerregende Bild denken, das der Kelch der Prophezeiung gezeigt hatte. War die Vision zur Wirklichkeit geworden? Hatten Cam und Carina überlebt? Und wenn nicht, wenn sie nicht mit einem Heilmittel auf dem Weg zurück nach Isencroft sind, wird Vater dann noch lange genug leben, um Zeuge der Vollendung meiner Reise zu sein?
    Die Sonne war schon fast untergegangen, als sie die welligen Hügel erreichten, die Margolans nordöstliche Grenze kennzeichneten. Nur noch an den großen, steinernen Grenzmarkierungen vorbei , sagte sie sich, und eine Gefahr liegt hinter mir. Doch ihre Erleichterung wich der Besorgnis, als die Gruppe erst langsamer wurde und dann ganz zum Stillstand kam und die Flüchtlinge sich aufgeregt zu unterhalten begannen. Kiara richtete sich in ihren Steigbügeln auf, um besser sehen zu können, fluchte und ließ sich wieder in den Sattel sinken: Zwei margolanische Wachtposten blockierten die Straße und erpressten Wegegeld von den Flüchtlingen.
    Fast einen Kerzenabschnitt lang defilierte der bunte Strom der Emigranten an den Wachen vorbei und befriedigte deren Forderungen nach irgendetwas von Wert im Austausch für die Erlaubnis zu passieren. Kiara hielt zwei Goldskrivven in ihrem Handschuh bereit, gut und gern der Wochensold einer Wache.
    Die Laune der Wachen verschlechterte sich nach einer heftigen Auseinandersetzung mit einem älteren Mann, bei der es fast zu Schlägen kam, bis der gebeugte alte Händler schließlich mit zwei Edelsteinen aus dem Saum seines zerlumpten Gewandes bezahlte. Danach schienen die Wachen entschlossen, ihre schlechte Laune an der nächsten unglückliche Familie auszulassen.
    »Bitte, Sir«, bat der Bauer inständig, »ich habe Euch alle Münzen gegeben, die ich besitze! Um der Lady willen, lasst uns passieren!«
    Hinter ihm drängten sich seine

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