Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
»Sein Herz hat es nicht mitgemacht«, antwortete er und schnalzte mit der Zunge. »Hab ihn tot in seinem Bett gefunden.«
»Die Männer gehen allmählich zu hart vor«, sagte der Große vorwurfsvoll und ließ sein Blicke über das in Trümmern liegende Lager wandern. »Sie haben diesmal zu viele getötet. Beschneidet den Gewinn. Beim nächsten Überfall bedeutet jeder tote Gefangene eine Kürzung ihrer Bierration.«
»Aye, Tarren«, antwortete das Narbengesicht. »Das werden sie sich merken.«
Tarren inspizierte noch einmal die Gefangenen. Über dem Lager hing der Rauch in einer dunklen, verderblichen Wolke. Hinter den Wagen mischten sich Angstschreie mit dem ungehobelten Lachen der Wachen und zeigten den Verbleib der überlebenden weiblichen Karawanenreisenden an. Tris biss die Zähne zusammen und strengte sich bis zum Äußersten an, um die Seile zu lockern, mit denen seine Handgelenke zusammengebunden waren, aber schon nach einem kurzem Moment gab er es wieder auf: Der Sklavenjäger, der ihn gefesselt hatte, verstand sein Handwerk.
»Was haben wir denn hier?«, sagte Tarren und ging zu der Stelle hinüber, wo Carina saß, nur eine Armlänge von Tris entfernt. Die Gewänder der Heilerin waren rußverschmiert und zerrissen, Zeugnis ihrer beherzten Gegenwehr, und ihre dunklen Haare durcheinander. Seit die Wachen sie hierher geschleppt hatten, hockte sie mit gesenktem Kopf da, und Tris ahnte, dass es das Verschwinden ihres Bruders war, was sie jeder Hoffnung beraubt hatte, mehr noch sogar als ihre eigene verzweifelte Situation. »Sprich, Dirne! Bist du eine Heilerin?«
Carina sah mit hasserfülltem Blick zu ihm auf. »Ja«, sagte sie tonlos.
»Ich weiß nicht recht«, meinte Tarren und taxierte ihre unordentliche Erscheinung. »Heilerinnen bringen eine hübsche Summe, aber vielleicht ist das da ja nur ein Heilerinnengürtel, den du gestohlen hast. Ich muss sicher sein«, sagte er, und seine Augen verengten sich. »Falls du keine Heilerin bist, bin ich sicher, dass du andere … Talente … hast, die wir gebrauchen können«, und wie aufs Stichwort durchdrang ein weiterer Entsetzensschrei von hinter den Wagen die Nacht.
»Tarren, wir haben ihn gefunden«, rief ihm ein Sklavenjäger zu, der auf den Kreis des Feuerscheins zukam. Als der Sklavenjäger sich näherte, konnte Tris sehen, dass er eine schlaffe Gestalt in den Armen trug.
»Lebendig?«, fragte Tarren stirnrunzelnd.
»Gerade eben so«, antwortete der Neuankömmling. »Wir haben ihn draußen am Lagerrand entdeckt. Und ein Dutzend unserer Männer mit Armbrustbolzen im Rücken als Beweis.« Der Mann trat in den Lichtkreis und warf den Körper Tarren wie einen Sack Mehl vor die Füße.
Tris stockte der Atem: Auf dem Boden lag Vahanian, bleich und reglos.
Tarren blickte von Vahanians Gestalt auf Carina und wieder zurück. »Das Kopfgeld ist nicht schlecht, wenn er tot ist, aber es ist höher, wenn er bei Ablieferung noch so lange lebt, dass er … befragt … werden kann. Heilerin!«, sagte er schroff. »Ein Handel: Beweise mir dein Talent an diesem Schmuggler, und du bleibst unter meinem Schutz.« Er grinste wölfisch. »Versagst du, unterstelle ich dich der vertrauensvollen Obhut meiner Wachen.«
Tris spürte, wie sein Herz raste. Vahanian war viel blasser als gewöhnlich, und seine Lippen spielten bereits leicht ins Bläuliche. Die Atmung des Schmugglers ging flach und schnell; ein hässlicher roter Fleck prangte feucht auf seiner Jacke unterhalb der Rippen. Tarren trat vor und zog einen Dolch, und Carina schreckte unwillkürlich zurück. Der Sklavenjäger bückte sich und durchtrennte ihre Fesseln.
»Also gut«, sagte Tarren und verschränkte die Arme. »Wenn er lebt, lebst du auch. Falls er stirbt … es gibt jede Menge Freudenhäuser, die froh mit dir wären.«
Tris blickte Carina an und bemühte sich Zuversicht auszustrahlen. Die Heilerin kniete sich neben Vahanian und ließ ihre rechte Hand über die gesamte Länge seines Körpers gleiten. Sie bewegte sich langsam, begann beim Kopf, und als ihre Hand über seine Gesichtszüge strich, verblassten die äußerlichen Zeichen des Kampfes – eine gespaltene Lippe, eine violette Quetschung auf einer Wange, ein oberflächlicher Schnitt quer über der Kinnlade. Tarren sah gespannt zu und quittierte die Veränderungen mit hochgezogenen Augenbrauen.
Tris verlangsamte seine Atmung und ließ sich in Trance fallen. Als ob er zwischen zwei Reichen schwebte, war er sich noch undeutlich des Lagers bewusst,
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