Im Bann des Omphalos
Becher zurückschaufelte und ihn ihm erneut entgegenstreckte. Mark ließ die Würfel herausrollen. »Vier!« rief einer. Ein anderer schob Münzen auf die Tischmitte. »Ich wette, daß er es nicht schafft!« brummte er.
»Und ich, daß er es schafft!«
Carodyne achtete nicht auf sie, sondern beobachtete die Hände des Spielers, der eine Sieben warf.
»Tut mir leid, mein Herr.« Der Mann holte sich den Einsatz. »Noch einmal?«
Carodyne warf weitere Kettenglieder auf den Tisch. Er verlor, verdoppelte den Einsatz und verlor erneut, dann noch einmal. Jetzt war er sicher, daß der Spieler betrog. Langsam ließ er den Rest der Kette auf die Platte fallen.
»Ein sehr hoher Einsatz, mein Herr.« Geiergesicht benetzte sich die Lippen.
»Könnt Ihr ihn halten?«
Die verlorenen Glieder wurden mit einem Haufen Münzen in die Mitte geschoben. »Ohne Schwierigkeiten. Werft!«
Die Würfel rollten und ergaben eine Neun. Der Spieler griff nach ihnen. Er erstarrte, als Carodyne sich vorbeugte und sein Handgelenk umklammerte. Die gefangene Hand wurde weiß und gab vier Würfel frei, als Mark sie schüttelte.
Ein Zuschauer fluchte. »Er hat sie ausgetauscht! Er hat die Würfel ausgetauscht!«
»Das habe ich nicht!« protestierte der Spieler. »Er hat sie mir untergeschoben. Ihr alle habt es gesehen!«
Mit der freien Hand griff Carodyne nach dem Würfel. »Einen Eimer Wasser!« brüllte er der Schankdirn zu. Als sie ihn gebracht hatte, warf Carodyne die Würfel hinein. »Hol die heraus, die eine Sieben ergeben!« wandte er sich an einen mit Narben übersäten Mann. »Wirf sie wieder hinein und sag mir, was sie anzeigen.«
Der Mann blinzelte. »Eine Sieben!«
»Das Gesetz des Zufalls«, protestierte der Spieler. »Was beweist es?«
»Bis jetzt noch nichts«, brummte Carodyne. »Aber wenn sie auch weiterhin diese Zahl ergeben, komme ich stark in Versuchung zu glauben, daß sie beschwert sind, und wenn ja, beweisen sie, daß du ein Betrüger bist! Versuch es nochmal«, forderte er den Narbigen auf. »Dreimal, wir müssen fair sein.«
Der Spieler versuchte sein Handgelenk zu befreien. »Fair? Ich werde fair sein. Ihr habt Geld verloren – nehmt es Euch zurück. Wenn ein Mann nicht mit Würde verlieren kann, sollte er nicht spielen.« Sein Mut war der einer in die Enge getriebenen Ratte.
Carodyne lauschte dem Platschen des Wassers und dem Fluchen des Narbigen. »Sieben! Immer sieben!« knurrte er. »Fünfzehn Obol habe ich heute abend verloren, jetzt weiß ich wenigstens, warum. Der Halunke betrügt. Er sollte in den Sturm hinausgetrieben werden, um wenigstens den Wölfen eine Freude zu machen. Was sagt ihr?« wandte er sich an die Männer rund um den Tisch.
Die Panik verlieh dem Spieler Kraft. Er befreite sich aus dem Griff, riß eine schmale Klinge aus dem Ärmel und stach damit blitzschnell nach Carodyne. Er verfehlte seine Wange nur um Haaresbreite, als der sofort zurückwich und gleichzeitig die Hand mit dem Messer packte und es nach unten drückte. Mark spürte, wie es seinen linken Ärmel berührte, dann hörte er den Spieler rasselnd die Luft einziehen und sah ihn zusammensacken.
»Gift!« stellte Deltmar fest. Die Schankmaid hatte ihn geholt.
Carodyne starrte auf die Hand des Toten, die er immer noch hielt. Er bemerkte einen winzigen Schnitt an einem Finger.
»Ich habe gewöhnlich nichts gegen Spieler«, sagte der Wirt, »aber der hier war allzu habgierig. Nun, er hat bekommen, was er verdiente, den Tod durch sein eigenes vergiftetes Messer.« Er nahm es mit der Schürze hoch und warf es ins Feuer.
»Ihr hattet Glück«, wandte er sich an Carodyne, der seine Kette wieder zusammensetzte. »Aber mehr noch, Ihr habt geahnt, was er vorhatte. Nun, ich nehme an, ein Söldner muß einen Instinkt für Gefahr entwickeln, wenn er überleben will.«
Söldner? Carodyne steckte die Münzen ein. Aha, das also schien er hier zu sein. Der Wirt mußte sich auskennen. Deshalb hatten die Männer auch gar nicht versucht, ihm den Teil des Geldes streitig zu machen, den sie an den Spieler verloren hatten. Sie hatten Angst vor ihm.
Er ließ die Hälfte der Münzen auf den Tisch herabregnen. »Teilt sie unter euch auf – nehmt euch, was ihr verloren habt und macht euch mit dem Rest noch einen vergnüglichen Abend. Und Ihr, Wirt, bringt Wein für alle auf meine Rechnung.«
Deltmar grinste. »Ihr seid sehr großzügig, Herr, das weiß man zu würdigen. Und das gefällt mir auch an euch Söldnern. Ihr lebt gefährlich, seid hart,
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