Im Bann des Omphalos
blendendes Licht schlug ihnen entgegen. Carodyne folgte dem Zauberer in einen schmalen Gang, die beiden anderen hintennach, zwischen den Zähnen fluchend, als sie sich plagten, den Sarg durch die enge Öffnung zu manövrieren.
»Nach links«, sagte Albasar leise, »dann nach rechts am Ende des Korridors, und noch weitere hundert Schritte, und wir haben mein Gemach erreicht. Sind wir erst im Innern, wird meine Zauberei uns schützen.«
»Kann sie das denn nicht jetzt schon?« fragte Mark.
»Ich tat, was ich konnte, aber die Magie, die mir hier gelingt, ist schwach und von keinem großen Nutzen. Wir sollten uns beeilen.«
Ein guter Rat, vor allem in einem Gebäude, in dem zahllose Suchtrupps unterwegs waren. Carodyne schritt voraus und bemühte sich, so weich wie nur möglich auf dem Mosaikboden aufzutreten. Trotzdem hallten in diesem engen Gang selbst die leisesten Geräusche gespenstisch wider: das heftige Atmen der beiden, die den Sarg trugen, das Rascheln von Albasars Gewand, und selbst die vorsichtigen Schritte. Marks Haut kribbelte vor schlimmer Vorahnung. Eine einzige Wache würde genügen, Alarm zu schlagen. Bei einer Handvoll hätten sie schon kaum eine Chance mehr. Er hob das Schwert, dessen Klinge nun stark gebogen war und gerade noch als Prügel zu gebrauchen war.
Sie erreichten das Gangende und wandten sich nach rechts zu Albasars Gemächern, die ihnen relative Sicherheit bieten würden.
Doch davor erwarteten sie etwa zwei Dutzend Männer.
17.
Sie waren die Elite der Tempelwache. Noch mehr schlossen sich ihnen an. Mit den blanken Schwertern in den Händen kamen sie herbeigerannt und umzingelten die Männer und den Sarg, den sie trugen. Carodyne versuchte zur Seite zu springen, um ihnen zu entgehen, da drückte eine Stahlspitze gegen seine Kehle. Er erstarrte, denn er wußte, daß ein weiterer Schritt, ja die kleinste Bewegung, ihn das Leben kosten würde. Eine Hand griff nach dem verbogenen Schwert in seinen Fingern.
Düster blickte Mark über die Schultern der Wachen auf die Tür im Schatten. Geheimnisvolle Zeichen bedeckten sie, die ihn irgendwie an einen elektronischen Schaltkreis erinnerten. Dahinter wären sie in Sicherheit gewesen.
Aus den Schatten traten der Hohepriester Kanins und Iztima.
»Eure Warneinrichtung leistete gute Dienste, Majestät«, sagte Taneft. »Welches Schicksal habt Ihr Euch für diese Männer gedacht?«
»Den Tod«, erwiderte sie kalt. »Er ist längst überfällig. Tötet sie und bringt es hinter Euch!«
Taneft hob die Hand wie in sanfter Ermahnung. »Den Tod, gewiß«, pflichtete er ihr bei. »Aber es gibt ihn in vielen Arten. Wie möchtet Ihr, daß diese Männer, die uns so viele Ungelegenheiten machten, sterben? Indem sie langsam über einem Feuer rösten? Oder durch Zerstückeln, begleitet von Beschwörungen, daß sie als Grauengestalten noch eine Weile weiterleben, bis wir ihnen die Haut abziehen oder in ein Säurebad tauchen?«
»Tötet sie sofort!« befahl sie.
»Wartet!« rief Carodyne. Und dann, mit ruhiger Stimme: »Wäre das nicht unklug?«
Er spürte, wie die Schwertspitze in das Fleisch am Hals drang und das Blut warm über Kehle und Brust sickerte, und hörte das warnende Knurren seines Wächters. Aber er ignorierte sowohl die Schmerzen als auch die Warnung.
»Hört doch«, sagte er laut, »und überlegt logisch. Ich wurde Kanin geopfert. Ich kämpfte gegen ihn und gewann. Im Kampf lernte ich so allerlei, was Euch interessieren müßte. Wenn Ihr uns tötet, werdet Ihr nie darüber hören.«
Wieder ein Glücksspiel, aber davon war sein Leben voll – kalkulierte Risiken, um zu überleben. War ihre Neugier stärker als ihr Blutdurst, würde er zumindest ein wenig Zeit gewinnen.
Schnell fügte er hinzu: »Auf diese Weise erfuhr ich auch, wo der Sarg zu finden war; außerdem, wie Kanins Gunst wiedererlangt werden kann; und als drittes, wie ihr alle vernichtet werden könnt, wo ihr steht!«
Unwillkürlich wichen die Soldaten ein wenig zurück. Sie waren abergläubisch und konnten nicht sicher sein, daß er bluffte, denn sie wußten, daß er gegen ihren Gott gekämpft hatte und jetzt lebend vor ihnen stand, was nur bedeuten konnte, daß der Sieg ihm zugefallen war.
Er hörte Hostigs leises Brummen: »Jetzt! Während sie nicht darauf vorbereitet sind!«
»Nein«, erwiderte Albasar wispernd. »Unsere Stunde ist noch nicht gekommen.«
»Ha!« sagte Taneft, der es gehört hatte. Sein Gesicht verzerrte sich vor Grimm. »Bildest du dir
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