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Im Bann des Omphalos

Im Bann des Omphalos

Titel: Im Bann des Omphalos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. C. Tubb
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Bewußtsein. Sie kam von der kauernden Bestie, die einem mutierten Skorpion gleich an der Schwelle des Tores lauerte. Kanin dürstete nach Rache.
    Ein Priester schrie auf und sackte in einer Blutlache zusammen, einem zweiten erging es wie ihm. Drei andere wurden zu rauchenden Flammensäulen. Die riesige Opferhalle echote von den gräßlichen Schreien jener wider, die der Wesenheit gedient hatten und nun für die von ihr verliehenen Kräfte bezahlen mußten.
    Der Hohepriester verwandelte sich.
    Wo er gestanden hatte, befand sich nun eine Schreckensgestalt: Blut und andere Körperflüssigkeiten strömten von einem roten Baum, der mit den abscheuerregenden Früchten nackter Organe behangen war. Unsichtbare Kräfte hatten sein Inneres nach außen gewendet, wie es beim Ausziehen eines Handschuhs geschehen kann. Aus der Mitte dieses grauenvollen Körpers war das zungenlose Schrillen eines vor Schmerzen Wahnsinnigen zu hören.
    Carodyne sprang auf einen Wächter zu, entriß seinen schlaffen Fingern das Schwert, schwang es und teilte den umgedrehten Hohenpriester in einem Gnadentod in zwei Hälften.
    Als die Leiche fiel, wirbelte Mark herum und rannte zu der Scheibe. Wieder schwang er das Schwert und noch zweimal. Das erstemal hieb es auf etwas wie Rauch ein. Das zweitemal klang es, als träfe es auf etwas Sprödes. Beim drittenmal zersplitterten sowohl das Schwert als auch die schwarze Scheibe in einem Hagel winziger Bruchstücke.
    Und Mark blickte in einen Spiegel.
     

 
18.
     
    Es war eine Scheibe silberner Helligkeit, glatt und mit perfekter Reflexion. Sie hing zwischen dem Rahmen aus goldfarbigem Metall, mit vereinzelten Bruchstücken zerschmetterten Steines – das aktivierende Element des Tores, das Kanin Einlaß in diese Welt aus seiner eigenen Dimension gestattet hatte. In ihr sah Mark sich selbst.
    Sich selbst?
    Einen Fremden sah er, einen Barbaren in primitiver Rüstung, mit Schmutz und Blut befleckt, das Gesicht eine angespannte Maske wilder Entschlossenheit. Staunend hob er die Rechte zu seiner Wange, und sein Abbild tat das gleiche.
    Auch es hob die Rechte!
    Ein Spiegel hätte sein Bild wiedergegeben, aber eben spiegelverkehrt. Nein, das hier war keine übliche reflektierende Oberfläche. Auf ihr sah er sich, hatte sich möglicherweise sogar gefunden. War es das, was Albasar gesagt hatte? Finde den Spiegel der Wahrheit? War das der Spiegel der Wahrheit?
    Er streckte eine Hand aus, um die Scheibe zu berühren, da spürte er ein Prickeln unter den Fingerspitzen. Er drückte ein wenig. Ihm war, als würde er gezogen, und Übelkeit erfüllte ihn. Verwirrt starrte er zur Opferhalle. Iztima streckte die Arme nach ihm aus. Albasar hatte seine gehoben, und seine Lippen bewegten sich. Mark erinnerte sich nicht, sich umgedreht zu haben. Er hatte nichts getan, als nach seinem Abbild zu greifen, und irgendwie war er zu ihm geworden. Er befand sich in der Sphäre des Tores und blickte hinaus auf das Tempelinnere.
    Ein Schritt, und er war draußen.
    Aber er machte ihn nicht. Statt dessen drehte er sich um und blickte einen Korridor entlang, an dessen Ende ein Lichtfleck zu sehen war – ein Tunnel, der nur so lang sein konnte, wie der Spiegel dick war, und der Spiegel war nicht dick. Aber alles war relativ. Ein Spiegelbild konnte keine Dicke haben. Selbst unendliche Spiegelbilder, eines auf dem anderen, konnten keine größere Tiefe haben. Doch er war nicht ganz ein Abbild, und der Spiegel war mehr als nur eine reflektierende Oberfläche.
    Er rannte den Tunnel hinunter.
    Es war, als raste er in einem Traum. Seine Beine bewegten sich, sein Herz hämmerte, er atmete keuchend, aber der Lichtfleck schien nicht näher zu kommen, die silberfarbigen Wände des Tunnels blieben gleich. Trotzdem war er sicher, daß er lief, daß er mit jedem Schritt mikroskopische Entfernungen zurücklegte und waren es genügend, würde er das Tunnelende erreichen. Er mußte es!
    Eine Ewigkeit ungeheuerlicher Anstrengung, ehe er schließlich in den Lichtfleck fiel, ein Stück rollte und mit dem Gesicht nach unten in süßduftendem Gras zur Ruhe kam. Eine sanfte Brise kühlte ihn. Nach einer Weile drehte er sich um und blickte zu einem azurblauen Himmel mit weißen, langsam dahintreibenden Wölkchen auf. Irgendwo läuteten Glöckchen. Er schaute sich um. Vor ihm erhoben sich Bäume mit Früchten, die klingelten, wenn der Wind sie bewegte. Als er sich umdrehte, sah er einen grasbewachsenen Hang, der zu einer bewaldeten Kuppe führte, doch keine Spur

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