Im Bann des Prinzen
hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, die Tagesdecke von seinem Bett zu ziehen. Nachdem er Shannons Zimmer verlassen hatte, war er den Großteil der Nacht damit beschäftigt gewesen, sich mit seinem Anwalt und der Sicherheitsfirma zu beraten. Die Arbeit war eine willkommene Ablenkung von seinem Verlangen nach Shannon.
Gegen fünf Uhr hatte er sich auf das Sofa in seiner Bibliothek gelegt, um wenigstens ein bisschen zu schlafen. Als Vernon gegen acht am Tor klingelte, schreckte er hoch. Er hatte dem pensionierten Kapitän gemailt und sich mit ihm zum Frühstück verabredet. Schließlich hatte sein alter Freund ein Anrecht auf ein paar Erklärungen.
Kurz darauf betrachtete Vernon ihn über den Rand seines Kaffeebechers. „Also stimmt es, was sie in den Zeitungen und im Internet schreiben?“
Tony nickte. „Mein Bruder ist zwar kein tibetischer Mönch, aber im Großen und Ganzen stimmt die erste Nachricht vom Global-Intruder.“
„Du bist ein Prinz.“ Vernon rieb sich über sein Doppelkinn. „Verdammt. Aber ich wusste schon immer, dass du etwas Besonderes bist, Junge.“
Tony hoffte, dass er sich eher durch harte Arbeit und weniger durch seine Abstammung ausgezeichnet hatte. „Du bist mir hoffentlich nicht böse und verstehst, dass ich nichts erzählen durfte.“
„Du hast Brüder und einen Vater.“ Der Kapitän goss einen großzügigen Schluck Milch in seinen Kaffee. „Auf die musstest du ja wohl Rücksicht nehmen.“
„Genau. Danke für dein Verständnis.“
Er wünschte, Shannon würde das auch so sehen. Er hatte gehofft, dass sie sich hier wieder an all das Gute erinnern würde, was sie gemeinsam erlebt hatten. Wie würde sich ihre Beziehung entwickeln? Er wusste es nicht, aber zumindest hatte er noch mehr Zeit gewonnen, um es herauszufinden. Schon bald würde sie mit ihm in seinem Privatjet sitzen.
Vernon stellte seinen Becher auf den Tisch. „Dir ist es hoch anzurechnen, dass du deinen eigenen Weg gehen wolltest.“
„Noch einmal danke.“ Er hatte befürchtet, dass Vernon wütend über seine Geheimniskrämerei sein würde und ihm die Freundschaft aufkündigen könnte.
Vernons Respekt bedeutete ihm viel, genauso wie seine wertvollen Ratschläge. Vom ersten Tag an, als Tony seine nicht sehr aussagekräftige Bewerbung abgegeben hatte, war er von Vernon wie ein Sohn behandelt worden. Sie hatten einiges zusammen erlebt. Und genau wie vor vierzehn Jahren, schenkte Vernon ihm auch jetzt uneingeschränktes Vertrauen.
„Und was sagt deine Familie zu dem Ganzen?“, wollte Vernon wissen.
„Ich habe bisher nur mit meinem mittleren Bruder gesprochen.“
„Den Zeitungen nach wäre das dann Duarte, richtig?“ Als Tony nickte, fuhr Vernon fort: „Habt ihr eine Ahnung, warum eure Tarnung jetzt nach all den Jahren aufgeflogen ist?“
Das war die Eine-Million-Dollar-Frage. Der Antwort waren sie leider noch kein Stück näher gekommen. „Duarte weiß nur, dass eine Fotojournalistin ihn auf einem Schnappschuss verewigt und daraufhin die Details herausgefunden hat. Wie, ist uns ein Rätsel. Keiner von uns sieht mehr so aus wie damals, schließlich waren wir noch Kinder, als wir San Rinaldo verlassen haben.“
„Und in der Zwischenzeit gab es keine Fotos von euch?“
„Nur wenige – wir waren immer sehr vorsichtig.“
Er brach sich gerade ein Stück von der Blätterteigtasche ab, als er auf einmal das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Abrupt drehte er sich um …
Kolby stand in der offenen Tür, seine Kuscheldecke in der Hand.
Verflixt. Und jetzt? Er hatte den Jungen nur wenige Male getroffen, und war nicht so recht mit ihm warm geworden. Das musste er ändern. „Hallo, Großer. Wo ist deine Mom?“
Kolby rührte sich nicht von der Stelle. „Schläft noch.“
„Willst du dich nicht zu uns setzen?“, fragte Vernon den Jungen einfach.
Ohne seinen Blick von Tony zu nehmen, tapste Kolby über die geflieste Terrasse und kletterte auf den Stuhl. Schweigend saß er dann da und blinzelte mit diesen großen blaugrauen Augen, die Shannons so sehr ähnelten.
Vernon wischte sich den Mund ab, warf die Serviette auf den Tisch und stand auf. „Danke fürs Frühstück, Tony. Ich muss mich ums Geschäft kümmern. Den Weg nach draußen finde ich allein.“
Als sein alter Freund sozusagen das sinkende Schiff verließ, wurde Tony etwas mulmig zumute. Seine Erfahrung mit Kindern war gleich null. Selbst als Kind hatte er nur seine Brüder als Spielgefährten gehabt.
Später, nachdem er die Insel
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