Im Bann des Prinzen
und leerte das Glas in einem Zug. „Ich habe mich von meinem Herzen leiten lassen, als ich San Rinaldo verlassen habe. Ich hatte solche Angst um meine Frau und meine Söhne, dass ich unseren Fluchtplan nicht vernünftig zu Ende gedacht habe.“
Der unbesiegbare Enrique gab einen Fehler zu? „Du hast dich von uns getrennt, um sie auf eine falsche Fährte zu locken. Das klingt für mich ziemlich selbstlos.“ Den Mut und den kühlen Kopf seines Vaters hatte er nie infrage gestellt.
„Ich habe es nicht durchdacht.“ Er goss sich noch einen Drink ein und starrte voller Reue auf das Glas. Selbst die Krankheit hatte den König niemals schwach erscheinen lassen, doch in diesem Moment, als die Geister der Vergangenheit ihn heimsuchten, wirkte er sehr verletzlich. „Hätte ich es getan, hätte ich bedacht, wie Carlos in solch einer Stresssituation reagieren würde. Arroganterweise hielt ich meinen Plan für wasserdicht. Wie gesagt, ich habe mich von Emotionen leiten lassen, doch die Aufrührer kannten meine Schwäche genau.“
Tony stellte sein Glas zur Seite, ohne auch nur einen Tropfen getrunken zu haben. Mitgefühl mit seinem Vater brannte stärker als jeder Alkohol in ihm. Weil er aufgrund der Erfahrung mit Shannon inzwischen sehr viel mehr Verständnis für Enrique aufbringen konnte, meinte er: „Du hast damals nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.“
Konnte er dasselbe von sich in Bezug auf Shannon sagen?
„Ich habe versucht, es mit dieser Insel wiedergutzumachen. Ich habe alles in meiner Macht Stehende getan, um meinen Söhnen einen sicheren Hafen zu schaffen.“
„Aber wir alle haben den Schutz des Hafens verlassen.“
„Das macht mir nichts aus. Mein Ziel war es, euch in Sicherheit zu wissen, bis ihr erwachsen geworden seid. Als ihr die Insel verlassen habt, hattet ihr genügend Kenntnisse und Erfahrungen, um euch selbst zu schützen, und um euren Platz in der Welt zu finden. Das wäre niemals möglich gewesen, wenn ihr mit den Verpflichtungen eines Königreiches aufgewachsen wäret. Zumindest darauf bin ich stolz.“
Auch wenn sein Vater ihm nichts Neues erzählte, waren es bewegende Worte, die in ihm ein tieferes Verständnis für Enrique wachriefen. So wie seine Mutter ihm damals die Decke gestrickt hatte, die sie zum Schutzschild erklärt hatte, war es auch für seinen Vater oberste Priorität gewesen, ihm Schutz zu bieten. Seine Methoden waren vielleicht nicht immer die besten, aber ihre Situation war ja auch nicht gerade einfach gewesen.
Etwas von seinem Verständnis war ihm anscheinend anzusehen, denn sein Vater lächelte anerkennend.
„So, mein Sohn, und jetzt denk noch einmal logisch über Shannon nach und nicht wie ein liebeskranker Teenager.“
Liebeskranker Teenager? Das verletzte ihn jetzt aber doch ein wenig. Und weshalb? Weil es wahr war. Er liebte sie, und das hatte sein Denkvermögen eingeschränkt.
Er liebte Shannon. Und deshalb hatte er instinktiv Schlüsse gezogen, statt logisch über alles nachzudenken. Er zwang sich, noch einmal vernünftig zu überlegen, was er über Shannon wusste. „Sie ist eine Frau, die von Natur aus vorsichtig ist, und die niemals etwas tun würde, was ihren Sohn in Gefahr bringen könnte. Wenn sie jemanden hätte anrufen wollen, hätte sie dich oder mich gefragt, um sicherzugehen, dass es in Ordnung ist.“
„Und was schließt du daraus?“
„Wir haben das Gesicht der Anruferin nicht gesehen. Nur weil die Frau ein Kapuzen-T-Shirt trug und aussah wie Shannon, habe ich geglaubt, sie sei es. Es muss sich um jemand handeln, der bestens mit unseren Sicherheitsvorkehrungen vertraut ist. Eine Frau mit ungefähr gleicher Statur. Jemand, der etwas zu gewinnen hat, aber keinerlei Loyalität den Medinas gegenüber empfindet …“ Es dauerte nicht lange, bis er auf die Lösung kam … „Alys?“
„Ich würde darauf wetten.“ Die Wut, die Enrique jetzt zeigte, verhieß nichts Gutes für die Assistentin, die ihre familiären Verbindungen ausgenutzt hatte, um einen kranken König und sein alterndes Personal hereinzulegen. „Sie hat die Kleider für Shannon besorgt …“
Shannon hatte nichts Falsches getan.
„Verdammt, hat sie uns an den Global-Intruder verraten?“ Seine Knie gaben fast unter ihm nach, als ihm bewusst wurde, wie sehr er die ganze Sache vermasselt hatte. Er legte eine Hand auf die Schulter seines Vaters und berührte ihn damit zum ersten Mal seit vierzehn Jahren. „Wo, zum Teufel, ist Alys?“
Enrique schluckte. Er legte eine
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