Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
nur solche Ideen?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Aus Büchern und Filmen. Man schlägt einem Vampir einen Pflock ins Herz, und puff. Er ist verschwunden.«
»Tatsächlich?« Er schnaubte. »Im Leben geht es selten so praktisch zu. Die wirkliche Welt ist weitaus schmutziger.« Er ging weiter und zischte mir über die Schulter zu: »Und vertrauen Sie nicht darauf, dass ein Pflock einen Vampir endgültig ins Jenseits befördert, Miss Lane. Sie würden eine schmerzhafte Enttäuschung erleben und schneller sterben, als Ihnen lieb sein kann.«
»Und wie tötet man dann einen Vampir?« Mir blieb nichts anderes übrig, als seinen Rücken anzusprechen.
»Gute Frage.«
Eine typische Barrons-Antwort, nämlich gar keine Antwort. Irgendwann würde ich ihn mit Fragen in die Engetreiben und ihn nicht vom Haken lassen – eines Tages, wenn ich nicht so viel anderes um die Ohren hatte. Ich schüttelte den Kopf und sah mir die Gesichter der umstehenden Leute an und suchte nach einem, das beben und zerlaufen würde wie Kerzenwachs, ehe das Monster sichtbar wurde.
Diesmal hatten wir Glück. Barrons entdeckte es im selben Moment wie ich. »Drüben neben dem Kamin«, raunte er mir zu.
Ich kniff die Augen zusammen und ballte die Hände zu Fäusten. O ja, dieses Ungeheuer würde ich sehr gern töten. Das würde einigen meiner Alpträume ein Ende setzen. »Ich sehe es«, erwiderte ich. »Was soll ich tun?«
»Warten, bis es geht. Wir fechten unsere Schlachten nicht in der Öffentlichkeit aus. Im Tode verliert es den Glamour. Die ganze Bar würde seine wahre Gestalt sehen.«
»Nun, vielleicht sollte die ganze Bar die wahre Gestalt sehen«, sagte ich. »Vielleicht wäre es gut, wenn die Menschen erfahren, was in dieser Stadt vor sich geht und was auf den Straßen lauert.«
Barrons sah mich an. »Warum? Damit sie sich vor Wesen fürchten, gegen die sie sich nicht verteidigen können? Damit sie Alpträume von Monstern haben, die sie nicht sehen können? Menschen sind in diesem Kampf nicht von Nutzen.«
Ich presste die Hand auf den Mund und konzentrierte mich darauf, mein Abendessen – Popcorn aus der Mikrowelle – im Magen zu behalten. Ich hatte das Gefühl, als würden die Maiskörner in meinem Bauch noch einmal aufplatzen und herumhüpfen und mein Magen jeden Augenblick explodieren. »Ich kann nicht hier stehen bleiben und das Ding beobachten«, sagte ich. Mir war nicht klar, ob die Übelkeit eine Reaktion auf den Unseelie war oder auf den Anblick seines Opfers.
»Es ist gleich vorbei, Miss Lane. Er ist fast fertig. Für den Fall, dass Sie das nicht selbst erkennen.«
Oh, das erkannte ich sehr wohl. Auf den ersten Blick hatte ich gesehen, dass der Graue Mann sehr bald mit seiner Begleiterin am Ende war. Der Frau, an dem sich das hagere, zwei Meter siebzig große Monster labte, sah man noch an, dass sie eine gute Knochenstruktur hatte. Knochen, die den Unterschied zwischen Modelqualitäten und einem nur hübschen Gesicht machten. Ich selbst hatte nur ein hübsches Gesicht. Diese Frau hingegen musste einmal eine Schönheit gewesen sein.
Aber jetzt waren nur noch die bloßen Knochen unter einer dünnen Schicht bleichen schlaffen Fleisches übrig. Und dennoch himmelte die zerstörte Frau den widerlichen Unseelie schmachtend an. Selbst aus der Entfernung konnte ich ihre blutunterlaufenen Augen sehen, in denen tausend Kapillare geplatzt sein mussten. Bestimmt waren ihre Zähne einmal perlweiß gewesen, jetzt jedoch waren sie grau und, wie es schien, brüchig. Sie hatte eine kleine eitrige Wunde im Mundwinkel und noch eine auf der Stirn. Als sie den Kopf nach hinten warf und ihren Zerstörer kokett anlächelte – in ihren Augen war er ein atemberaubender blonder Schönling –, fielen ihr zwei Haarbüschel aus, das eine landete auf dem Boden, das andere auf dem Schuh des Mannes, der hinter ihr stand. Der Mann senkte den Blick, sah das Haarbüschel, an dem ein Stück Kopfhaut klebte, und kickte es schaudernd von seinem Schuh. Er warf einen Blick auf das Opfer des Grauen Mannes, packte die Hand seiner Freundin und zerrte sie durch die Menge, als müsste er vor dem schwarzen Tod fliehen.
Ich wandte mich ab – das konnte ich mir nicht ansehen. »Ich dachte, es macht sie nur hässlich; ich hatte ja keine Ahnung, dass es die Frauen auslaugt, bis sie sterben.«
»Normalerweise macht es das auch nicht.«
»Es tötet sie, Barrons! Wir müssen das verhindern!« Selbst ich hörte, dass meine Stimme hysterisch schrill war.
Barrons
Weitere Kostenlose Bücher