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Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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gehasst hatte, oder ihr Hass würde wieder aufflammen. Am Ende dieser schrecklichen Beichte würde sie ihn mit neuen, schärferen Augen sehen, würde sein Versagen sehen, seine Schande, und sie würde ihn nie wieder lieben können.
    Er konnte es nicht tun, konnte nicht zusehen, wie die Liebe in ihrem Blick schrumpfte und erstarb. Konnte den Gedanken nicht ertragen, dass die Wärme ihrer Berührung wieder erkaltete.
    Er blickte auf sie hinunter und fühlte sich alt und müde. Ihre Blicke trafen sich. Ihre dunklen Augen waren traurig - so sehr, dass es ihn tief in der Seele beschämte.
    »Bleib«, flüsterte sie und hielt ihn fest. »Bitte ...«
    »Ich kann nicht.« Sein Ton war rau und stockend.
    »Aber, Jack ...«
    Er packte sie an den Schultern und hielt sie auf Armeslänge fest. »Verstehst du denn nicht? Ich könnte dir Schmerz zufügen. Oh Gott, ich könnte ...« Er schaute weg. »Geh wieder ins Bett«, sagte er in so fremdem Ton, dass er seine eigene Stimme nicht erkannte. »Bitte ...«
    Dann riss er mit einem heiseren Fluch die Tür auf, dass sie krachend gegen die Wand schlug.
    Sie lief ihm nach. »Geh nicht, bitte, wir können ...«
    Nach einem letzten, sehnsüchtigen Blick griff er nach Stiefeln und Mantel und lief aus dem Haus.
     
    Tess lief ihm auf die vom Regen glatte Veranda nach. Angst drückte ihr die Kehle zu und nistete sich als dumpfer, dröhnender Schmerz in ihren Lungen ein.
    Regen schlug gegen ihre nackten Brüste und lief in Rinnsalen über ihren Leib. Donnergrollen ließ die Nacht erbeben. Grauschwarze Regenwolken brauten sich unheilvoll über ihr zusammen. Weit unten schlugen zornige Wogen schäumend gegen unsichtbare Felsen.
    »Jack!«, schrie sie, aber der Wind verwehte ihre Stimme.
    Eine Serie von Blitzen zuckte am Himmel und erhellte das Anwesen. In diesem gespenstischen Licht sah sie ihn, eine schattenhafte, vornübergebeugte Gestalt, die an der Scheune vorüber und den Hügel hinablief.
    »Geh nicht ...« Diesmal waren ihre Worte nicht mehr als ein geflüstertes Flehen, von dem sie wusste, dass er es nicht hören konnte.
    Wieder blitzte es, und er war fort.
    Tess stand bloß und zitternd da. Entsetzen, kälter und erschöpfender als alles, was sie bislang erlebt hatte, erfasste sie in unablässigen eiskalten Wogen. Ihr Körper bebte, ihre Augen brannten.
    Er kam nicht zurück.
    Tess' Beine gaben nach. Sie sank auf dem harten, feuchten Boden auf die Knie. Ihr Atem kam rasch und flach, und jeder Atemzug schmerzte.
    Er traute ihr nicht. Auch jetzt noch, nach allem, traute er ihr nicht. Und würde es vielleicht nie tun.
    »Bitte.« Das Wort war ein zerbrochener Gedanke, ein unausgeformtes Sehnen. »Bitte ...«
    Sie legte die Hände in den Schoß und starrte ihre zitternden, erfrorenen Fäuste an. Tränen brannten hinter ihren Wimpern und ließen ihre Sicht verschwimmen. Es glitt ihr durch die Finger, so schnell, dass sie es nicht festhalten konnte. Alles, was sie je gewollt oder gebraucht und was sie ersehnt hatte, war hier in diesem Haus, und sie konnte es nicht festhalten.
    Sie fing an, laut zu schluchzen.
    »Komm zurück, Jack«, stieß sie hervor und schmeckte ein Gemisch von Tränen und Regen. »Bitte, komm zurück ...«
     
    Tess wankte zurück in ihr Schlafzimmer und brach auf dem Bett zusammen. Dort blieb sie lange liegen, zusammengekrümmt wie ein Fötus im Mutterleib; sie zitterte am ganzen Körper. Bitte, lieber Gott, bring ihn sicher zurück. Bitte ...
    Jemand pochte an die Tür.
    Einen Moment glaubte sie, es wäre Jack, und ihr Herz drohte stillzustehen. Dann wurde ihr klar, dass er nicht anklopfen würde. Mit einem resignierten Seufzer schlüpfte sie in ihren langen Morgenmantel.
    »Herein«, rief sie müde.
    Die Tür ging auf. Savannah und Katie standen im Eingang, bleich vor Angst.
    Tess wollte lächeln, schaffte es aber nicht ganz.
    Savannah verknotete ihre Finger ineinander. »Ist Daddy wieder fort?«
    Traurigkeit überkam Tess. Die Mädchen - ihre Mädchen - versuchten so sehr, tapfer zu sein und nicht zu weinen. Es erinnerte Tess daran, dass sie nun eine Familie waren. Keiner musste im Leid allein sein. Sie hatten einander.
    »Kommt her«, sagte sie und klopfte auf die Matratze neben sich.
    Im nächsten Moment kletterten sie auch schon auf das große Bett, und Katie schmiegte sich an ihre Mutter. »Wird er zurückkommen?« Sie sah zu Tess auf.
    Tess, die ihre Angst energisch verdrängte, wünschte, sie hätte lügen können. „ Kinder, ich hin sicher, dass euer Vater

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