Im Banne des schwarzen Schwertes
ist mehr, als die Leute vom Hügel bieten können, nicht wahr, Vater?«
Gutheran drehte langsam den mächtigen Kopf und sah seinen Sohn an. »Ja«, murmelte er, und in dem Wort schien eine Warnung mitzuschwingen.
»Der Hügel - was ist das?« fragte Mondmatt.
Doch er bekam keine Antwort. Statt dessen war vom Eingang zum Großen Saal ein schrilles Lachen zu hören. Ein großer hagerer Mann stand dort und stierte vor sich hin. Sein Gesicht wirkte ausgemergelt, doch verband ihn eine große Ähnlichkeit mit Gutheran. Er trug ein Saiteninstrument im Arm und zupfte daran herum, das mit melancholischem Nachdruck klagte und stöhnte.
»Hör mal, Vater«, sagte Hurd, »der blinde Veerkad, der Sänger, dein Bruder. Soll er für uns singen?«
»Singen?«
»Soll er seine Lieder vortragen, Vater?«
Gutherans Lippen begannen zu zittern und verzogen sich, und nach kurzem Schweigen sagte er: »Er darf unsere Gäste mit einer heroischen Ballade unterhalten, wenn er möchte, aber...«
»Aber gewisse andere Lieder soll er nicht singen.« Hurd grinste boshaft. Er schien seinen Vater absichtlich auf eine Weise zu quälen, die Elric nicht zu ergründen vermochte. Hurd brüllte zu dem blinden Mann hinüber: »Komm, Onkel Veerkad -sing uns etwas!«
»Es sind Fremde hier«, sagte Veerkad mit hohler Stimme durch das Klagen seiner Musik. »Fremde in Org.«
Hurd kicherte und trank noch mehr Wein. Gutheran runzelte die Stirn und zitterte noch immer, wobei er nicht von seinen Fingernägeln abließ.
»Ein Lied wäre uns willkommen, Sänger«, rief Elric.
»Dann sollt ihr das Lied der Drei Könige in der Dunkelheit hören, ihr Fremden, und die scheußliche Geschichte von den Königen von Org.«
»Nein!« brüllte Gutheran aufspringend, doch Veerkad hatte bereits zu singen begonnen:
»Drei Könige liegen in Dunkelheit, Unter einem öden, düst'ren Himmel, Gutheran von Org und ich, befreit, der dritte unter dem Hügel. Wann wird der dritte sich erheben? - Nur wenn ein anderer läßt sein Leben.«
»Halt!« Sichtlich außer sich vor Zorn sprang Gutheran auf und warf sich über den Tisch, vor Entsetzen bebend, das Gesicht totenblaß. Er hieb nach dem blinden Mann, seinem Bruder. Nach zwei Schlägen sank der Sänger zusammen und blieb reglos am Boden liegen. »Raus mit ihm! Er darf nie wieder hier herein!« kreischte der König, und Speichel sprühte ihm von den Lippen.
Hurd, der einen Augenblick lang nüchtern wirkte, sprang über den Tisch, wobei Geschirr und Becher in alle Richtungen davonflogen, und nahm seinen Vater am Arm.
»Beruhige dich, Vater! Ich habe einen neuen Plan für unser Vergnügen.«
»Du! Du strebst doch nur nach meinem Thron. Du hast Veerkad verleitet, dieses fürchterliche Lied zu singen. Du weißt, ich kann es nicht hören, ohne.« Er starrte zur Tür. »Eines Tages wird die Legende wahr werden und der Hügelkönig wird kommen. Dann sind ich, du und Org verloren.«
»Vater!« Hurd hatte ein schreckliches Lächeln aufgesetzt. »Unsere Besucherin soll uns einen Tanz der Götter vorführen.«
»Was?«
»Laß die Frau für uns tanzen, Vater.«
Elric hörte die Worte. Die Wirkung der Droge mußte inzwischen nachgelassen haben. Er konnte sich nicht erlauben, das Geheimnis preiszugeben, indem er seinen Gefährten eine neue Dosis anbot. Er stand auf.
»Welches Sakrileg sprichst du da aus, Prinz!«
»Wir haben euch Zerstreuung geboten. In Org ist es üblich, daß Besucher solche Freundlichkeit erwidern.«
Die Drohung hing in der Luft. Elric bedauerte seinen Plan, die Orger hereinzulegen. Doch nun konnte er nicht mehr zurück. Er hatte ihnen im Namen der Götter einen Tribut abnehmen wollen, doch offensichtlich hatten diese Verrückten mehr Angst vor unmittelbaren Gefahren als vor der Macht der Götter.
Es war ein Fehler gewesen, das Leben seiner Freunde wie auch das eigene in Gefahr zu bringen. Was sollte er tun? Zarozinia murmelte: »Ich habe in Ilmiora tanzen gelernt - das können dort alle hohen Damen. Laß mich für sie tanzen. Vielleicht beruhigt es sie und lenkt sie ab, so daß unsere Aufgabe leichter wird.«
»Arioch weiß, daß unser Vorhaben schwer genug ist. Dumm von mir, einen solchen Plan auszuhecken. Nun gut, Zarozinia, tanze für sie, aber mit Vorsicht.« Er rief Hurd zu: »Unsere Gefährtin wird für euch tanzen, um euch ein Beispiel der Schönheit zu zeigen, die die Götter erschaffen können! Und dann werdet ihr den Tribut zahlen, denn unsere Herren werden allmählich ungeduldig.«
»Tribut?«
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