Im Banne des stuermischen Eroberers
„Aye, leider. Ich fühle mich furchtbar - und rieche noch viel furchtbarer.“
„In der Tat“, pflichtete sie ihm bei und lächelte entschuldigend, als er eine Grimasse schnitt. „Was ist Euch widerfahren? Wie seid Ihr im Burggraben gelandet?“
Er fasste sich an die Stirn, und seine angespannten Züge sagten Helen, dass er eingehend nachsann. „Jemand hat mich gestoßen. Hat mir zunächst einen Schlag gegen den Schädel verpasst.“ „Schon wieder?“, rief sie erschrocken. Wie oft hatte er in jüngster Zeit einen Schlag gegen den Kopf erhalten ? Dreimal ? Und doch lebte er noch. Sein Schädel musste so dick wie die Burgmauer sein.
„Aye, schon wieder. Und das ist allein Eure Schuld“, presste er unwirsch hervor und riss sie damit aus ihren Gedanken.
Sie keuchte empört. „Meine Schuld?“
„Richtig. Hätte mir der Kopf nicht von Euren Tränken gebrummt, hätte ich den Angreifer gehört.“
Der Vorwurf saß. Sprachlos starrte Helen ihren Gemahl an, ehe ihre Augen schmal wurden. „Nun, wie gut, dass Ihr ein solch dickschädeliger Bastard seid.“
Tante Nell keuchte entsetzt auf, und William und Boswell traten unbehaglich von einem Bein aufs andere. Schweigen senkte sich über die Kammer.
„Und was soll das bitte heißen?“, fragte Hethe endlich gefährlich leise.
„Nichts“, erwiderte Helen honigsüß. „Gar nichts. Wobei ich allerdings heraussteilen möchte, dass Euch nicht das Geringste passiert ist, solange Ihr geschlafen habt. Da Ihr jedoch darauf besteht herumzuspazieren, anstatt Euch hier oben, wo es sicher ist, auszuruhen und wieder zu Kräften zu kommen, solltet Ihr künftig vielleicht Euren Helm tragen. Offensichtlich habt Ihr ihn nötig.“ „Ihr ...“, setzte er wutentbrannt an, doch Tante Nell rettete Helen, indem sie rasch eine Frage einwarf.
„Habt Ihr gesehen, wer Euch niedergeschlagen hat?“
Er stockte, schaute die ältere Frau an und schüttelte den Kopf, was ihn prompt zusammenzucken und das Unterfangen abbrechen ließ. „Nay. “
Als Helen sah, wie er litt, fiel ihr Zorn in sich zusammen. Seufzend stieß sie den Atem aus, den sie angehalten hatte, und strich Hethe über die Wange. „Tut Euch außer dem Kopf noch etwas weh ?“ Hethe zögerte, beschloss dann aber offenbar, ihr Friedensangebot anzunehmen. „Brust und Kehle“, räumte er widerstrebend ein.
„Vermutlich, weil Ihr Grabenwasser geschluckt habt“, erklärte sie und sah angeekelt, dass sich in seinem feuchten, schlammverschmierten Haar etwas bewegte. Sie war sich nicht sicher, ging aber davon aus, dass es besser war, ihn zunächst zu baden, ehe sie ihn auf weitere Kopfwunden hin untersuchte.
„Ihr meint, ich habe diesen Dreck geschluckt?“, fragte er entgeistert.
Seine Miene reizte Helen zum Lachen, aber sie beherrschte sich. „Ich fürchte, so ist es.“ Sie drehte sich zu Ducky um, die gerade zurückkehrte und eine Schar Bediensteter mitsamt Badezuber und Wassereimern anführte. „Ducky, würdest du wohl jemanden mit Bier heraufschicken?“
„Aye, Mylady.“
„Nay, ich gehe selbst“, wandte Tante Nell ein, was die Kammerfrau innehalten ließ. „Helen braucht womöglich deine Hilfe, um Lord Hethe zu baden.“ Sie war fort, ehe irgendjemand etwas einwenden konnte - obgleich wohl kaum einer Protest erhoben hätte.
Helen wandte sich wieder Hethe zu. „Wir sollten Euch besser von diesen Kleidern befreien und in den Zuber bugsieren.“ Umgehend traten Boswell und William vor, doch Hethe bedachte sie mit einem finsteren Blick. „Ich sagte, ich kann mich allein entkleiden.“
„Gewiss doch“, beschwichtigte William ihn. „Wir bleiben nur hier für den Fall, dass du doch einen starken Arm benötigst, um in den Zuber zu steigen. Besser, du besudelst unsere Kleider als Lady Helens.“
Erst jetzt merkte Hethe, dass beide Männer so tropfnass und schlammig waren wie er selbst. Forschend sah er William an. „Hast du mich etwa aus dem Wasser gezogen?“
„Boswell war als Erster zur Stelle und hat den Gutteil der Arbeit geleistet. Ich bin ihm lediglich zur Hand gegangen.“
„Oh.“ Hethe schaute zu Boswell hinüber und nickte versonnen. „Habt Dank, Boswell.“
Der Kastellan zuckte unbehaglich mit den Schultern, brachte jedoch ein mürrisches „M’lord“ heraus, als Helen ihm den Ellbogen in die Rippen stieß.
„Wollt Ihr nun in den Zuber?“, drängte sie, da die Bediensteten fertig waren und nacheinander die Kammer verließen.
Knurrend schob Hethe sich vom Sessel hoch ... und
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