Im Banne des stuermischen Eroberers
an.
„Guten Morgen, M’lord“, stieß er eilends und viel zu laut hervor.
Hethe zuckte zusammen ob der Lautstärke und bedachte den jungen Kerl mit einem finsteren Blick. „Was hast du hier zu suchen?“
„Ich beschütze Euch, M’lord“, erwiderte der Mann prompt -und nicht wenig stolz.
„Mich beschützen?“, blaffte Hethe. In seinem ganzen Leben hatte er noch keine Wache gebraucht - nicht seit er zum Ritter geschlagen worden war. Dass seine Gemahlin ihm eine solche aufgehalst hatte, bewies nur, wie schwächlich er in ihren Augen war. Nach seinem Sturz die Treppe hinunter hatte sie ihm immerhin nur ihren Hund an die Seite gestellt; nun war es schon ein Krieger. Gereizt fragte er sich, wo das Tier überhaupt steckte. Es stimmte ihn nicht gerade fröhlich, dass nicht nur seine Gemahlin, sondern auch deren alberner Köter ihn im Stich gelassen hatte. Stattdessen wurde er von einem Bengel gehütet, der noch grün hinter den Ohren war. Wie tief war er nur gesunken?
„Und vor wem genau beschützt du mich?“, verlangte er grimmig zu wissen.
Der Krieger trat von einem Bein aufs andere und blickte unsicher drein. „M’lady meinte, weil doch jemand versucht hat, Euch umzubringen ...“
„Wo ist sie?“
„Wer?“
„Meine Frau“, entgegnete Hethe unwirsch. „Wo ist sie?“
„Oh, sie ist nach unten gegangen, um mit Lady Shambleau zu reden.“
Knurrend ging Hethe an dem Burschen vorbei und schritt Richtung Treppe, hielt jedoch inne, wandte sich um und blickte ungnädig drein, weil der Krieger ihm folgte. Als er sah, dass seine Wache sich verdoppelt hatte, bekam er große Augen. Nun waren es schon zwei Kerle. „Wer, zur Hölle, bist du?“, fragte er den zweiten.
„Garth, M’lord.“
„Nay, ich meine, wo kommst du so plötzlich her?“
„Ich war am Ende des Gangs postiert, um Robert hier notfalls den Rücken zu decken.“
Hethe spürte, wie ihm das Blut aus den Wangen wich. Nicht eine Wache, sondern gleich zwei? Bei allen Heiligen! „Ich brauche keine Wache“, beschied er verärgert.
„Aye, M’lord. Ich meine, natürlich nicht, M’lord“, pflichteten die Burschen ihm wie im Chor bei.
Hethe verengte die Augen ob des beflissenen Tonfalls. „Ich sagte, ich brauche keine Wache. Ihr zwei seid entlassen. Schert euch fort, sucht euch eine andere Beschäftigung.“
Die beiden tauschten einen zögerlichen Blick.
„Was meinst du?“, fragte der Jüngere, der an der Kammertür gelehnt hatte.
Der andere schüttelte den Kopf und nahm seinen Kumpan beiseite. Vermutlich wähnte er sich außer Hörweite, doch er lag falsch. Hethe vernahm jedes Wort.
„Ich denke“, meinte Wachmann Nummer zwei, „dass er sich den Schädel beim Sturz übel angeschlagen hat. Lady Helen hat uns angewiesen, ihn zu bewachen, und bewachen werden wir ihn daher.“ „Aye, aber er ist der Lord. Müssen wir nicht tun, was er sagt?“, erkundigte sich der Jüngere. Dessen höhere Stimme war besser zu verstehen als die des anderen, und die Worte trugen nicht eben dazu bei, Hethes aufbrodelnden Zorn zu mildern.
„Nun, nicht, wenn er nicht ganz richtig im Kopf ist. In dem Fall müssen wir uns an das halten, was Lady Helen sagt. Und ich denke, dass er tatsächlich nicht ganz bei Trost ist - ansonsten wüsste er eine Wache zu schätzen. Alle hier hassen ihn. Mehr als einer würde jede Gelegenheit nutzen, ihm die Kehle aufzuschlitzen.“
Hethe hatte genug gehört. Seine Wut war so übermächtig, dass er daran zu ersticken glaubte. Schlimmer noch - er konnte sie gegen niemanden richten. Seiner Frau konnte er es schlecht verübeln, dass sie so umsichtig war, ihn bewachen zu lassen. Diesen Männern konnte er nicht zum Vorwurf machen, dass sie ihre Pflicht taten. Er konnte es den Menschen hier nicht einmal verdenken, dass sie ihn verabscheuten für das, was er in ihren Augen getan hatte. Schließlich trug er die Verantwortung dafür. Er hatte Stephen als Kastellan eingesetzt. Stephen war sein Freund gewesen.
Aufgebracht wandte Hethe sich ab und strebte mit langen Schritten den Gang entlang. Sein Zorn nagte an ihm und nährte das Pochen in seinem Schädel. Dieses Mal schenkte er den Burschen, die ihm folgten, keinerlei Beachtung. Am oberen Treppenabsatz gabelte er eine dritte Wache auf, die den beiden anderen offenbar als Verstärkung hatte dienen sollen. Hethe bedachte auch diesen
Mann mit einem bösen Blick und nahm die Stufen nach unten. Ohne sich umzudrehen, wusste er, dass ihm nun alle drei auf den Fersen waren.
Als er
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