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Im Banne des stuermischen Eroberers

Titel: Im Banne des stuermischen Eroberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynsay Sands
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nüchtern zu betrachten. Vermutlich lag die Antwort in seiner ersten Flucht in den Krieg. Er dachte zurück an jene Zeit und ließ die Erinnerungen aufleben. Er hatte sich mit seinem Vater gestritten. Nun, „gestritten“ traf es nicht ganz, denn hauptsächlich war es sein Vater gewesen, der geschrien, gebrüllt und Schmähungen ausgestoßen hatte.
    Allein diesen Vorfall Wiederaufleben zu lassen, rief den alten Zorn in ihm wach, und plötzlich kannte er die Antwort - er war vor seiner eigenen Wut davongelaufen. Wieder sah er sich vor seinem Vater stehen, der auf ihn einwetterte, und spürte noch einmal die Rage in sich aufsteigen. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, in seinen Ohren hatte es gesummt, und sein Blut hatte regelrecht gebrodelt. Hethe hatte zuschlagen, seinen Vater in Stücke hauen wollen. Pure Mordlust hatte ihn erfüllt, und das hatte ihn erschreckt. An jenem Tag hatte er Holden verlassen und war in den Krieg gezogen, wo er seine Wut hatte ausleben können. So war es jedes Mal gewesen, wenn ihn der Ingrimm gepackt hatte - was so gut wie immer geschehen war, sobald er zu Lebzeiten seines Vaters nach Holden zurückgekehrt war.
    Dann war da Nerissa, wenngleich sie ihn keineswegs erzürnt hatte. Sie war liebreizend, unschuldig und sanft gewesen. Ihr Tod war es, der ihm schwer zugesetzt hatte. Von da an hatte er den Zorn, den er zuvor auf seinen Vater gehegt hatte, gegen sich selbst gerichtet. Was Nerissa anging, hatte er versagt. Sie war gestorben, weil er die Besiegelung der Ehe nicht verschoben hatte. Immer noch spürte er die ohnmächtige Wut, die ihn angesichts ihres Dahinsiechens befallen hatte - die Wut wie auch den Drang, jemandem den Schmerz zuzufügen, den ihn selbst peinigte. Wiederum hatte er sich in den Kampf geflüchtet.
    Vermutlich stand er kurz davor, es erneut zu tun. Zorn und Verzweiflung fraßen ihn auf, und so auch das Schuldgefühl angesichts dessen, was in den vergangenen Jahren auf Holden passiert war. Abermals hatte er das Leben von Menschen in Händen gehalten, und abermals hatte er darin versagt, diese Menschen zu beschützen. Hethe hatte Tiernay in der Absicht verlassen, so lange zu reiten, bis er auf Krieger des Königs stieß - auf irgendein Scharmützel, in dem er ein paar Schädel einschlagen konnte. Und genau damit, ging ihm jäh auf, hatte er das Volk von Holden Stephens Grausamkeit ausgeliefert.
    Schlimmer noch war, erkannte er rückblickend, dass er sich nach keiner Flucht ins Kampfgetümmel besser gefühlt hatte. Seine Wut und sein Groll hatten im Laufe der Jahre nicht abgenommen, sondern waren zu einem kalten, harten Klumpen erstarrt, der ihm in der Brust saß und aus dem bei jeder sich bietenden Gelegenheit erneut die heiße Flamme des Zorns hervorschoss. Davonzulaufen hatte ihm keinen Frieden beschert, weil er vor sich selbst nicht davonlaufen konnte - vor dem Zorn, den sein Vater in ihm wachgerufen, den er selbst jedoch über die Jahre geschürt hatte. Es war an der Zeit, die Flamme ersterben zu lassen.
    Ich sollte kehrtmachen und zurück zu meiner Frau reiten. Im Geiste sah er ihr lachendes Gesicht, und unwillkürlich musste er selbst lächeln. Der bloße Gedanke an sie wirkte beruhigend auf ihn. Dann erinnerte er sich, wie gekränkt und verärgert sie gewesen war, kurz bevor er davongeritten war, und das versetzte seinem Herzen einen Stich. Er hatte sie nicht verletzen wollen. Und nie hätte er gedacht, dass es ihn selbst schmerzen könne, ihr wehzutun. Aber das tat es. Sie glücklich zu machen, machte seltsamerweise auch ihn glücklich. Er zügelte sein Pferd, als ihm diese Gedanken durch den Kopf wirbelten. Und diesmal wusste er auch genau um deren Bedeutung.
    Er liebte Helen.
    Das überraschte ihn nicht einmal. Er hatte sie vom ersten Augenblick an gemocht und geschätzt. Von da bis zur Liebe war es ein Katzensprung, und Helen war fraglos anbetungswürdig. Aber hatte er ihre Liebe verdient? Bei dieser Frage krampfte sich ihm das Herz ein wenig zusammen. Er rief sich ihr gemeinsames Liebesspiel ins Gedächtnis, ihr gemeinsames Lachen, Helens Stolz und Schönheit - und ihr Mitgefühl. Seit jener Nacht, da sie die Ehe vollzogen hatten, hatte Helen ihm mehr Mitgefühl entgegengebracht als sein Vater in seinem gesamten Leben. Aber sie war ja auch eine besondere Frau.
    Nachdem die Ehe besiegelt war, hatten sie den Nachmittag mit Reden zugebracht. Nach jener ersten fleischlichen Verbindung saßen sie in den Sesseln am Feuer und labten sich an den Speisen und dem

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