Im Banne des stuermischen Eroberers
stehen und schaute sich um. Lord Holden stand am Rande der Wiese und musterte aus schmalen Augen Boot und Wasser.
„Stimmt etwas nicht, Mylord?“, erkundigte sie sich honigsüß.
Argwöhnisch betrachtete er sie. „Was tun wir hier?“
„Ich dachte, dass eine kleine Bootsfahrt auf dem Fluss ganz nett wäre. Oder nicht?“, fragte sie herausfordernd.
Er presste die Lippen zusammen. „Ich finde nicht...“
„Habt Ihr etwa Angst?“, stichelte sie.
Entschlossen straffte er die Schultern und schien dadurch um mindestens einen Zoll zu wachsen, und seine Miene verdüsterte sich. Doch er schwieg und schritt grimmig an ihr vorbei auf das Boot zu. Als er es erreicht hatte, blieb er stehen und blickte unschlüssig drein.
Helen genoss sein Unbehagen. Sie gesellte sich zu ihm, spähte ins Boot und streckte Lord Holden lächelnd eine Hand entgegen. Stirnrunzelnd nahm er sie und verstärkte seinen Griff, da Helen sich an ihm abstützte und ins Boot stieg. Sie ließ seine Hand los, breitete die Arme aus, um das Gleichgewicht zu halten, und begab sich zur hinteren Bank, wo sie es sich bequem machte. Schließlich wandte sie sich um und sah Lord Holden erwartungsvoll an.
Leise vor sich hin murmelnd, umklammerte er den Pfosten, an dem der Kahn befestigt war, und kletterte zu Helen. Er wirkte alles andere als glücklich. Sie wartete, bis er ihr gegenüber Platz genommen hatte. „Ihr müsst das Boot noch losbinden“, verkündete sie erst dann.
Verständnislos starrte er sie an, ehe er das Seil betrachtete, das von einem Metallhaken im Boot zum Pfahl am Ufer führte. Helen hatte gehofft, dass er sich aufrichten würde, um das Ende loszubinden, das um den Pfosten geknotet war. Aber stattdessen band er einfach das Ende im Nachen los und warf es ins Wasser. Er bedachte sie mit einem wölfischen Grinsen, wohl wissend, dass er ihr Vorhaben, sich an seinem Missbehagen zu ergötzen, zunichtegemacht hatte.
Helen verengte kaum merklich die Augen. „Nun müsst Ihr uns noch vom Ufer abstoßen“, war alles, was sie sagte.
Kurz glaubte sie, gewonnen zu haben - dass er aus dem Kahn springen und zur Burg flüchten würde. Der Gedanke berauschte sie. Denk nach, Helen. Es musste doch etwas geben, das sie tun konnte, um die Hochzeit doch noch zu verhindern. Tatsächlich stieg er aus dem Boot, allerdings nur, um es vom Ufer abzustoßen.
„Goliath!“, rief sie, und der Hund, der ein Stück flussaufwärts am Ufer umhergestreift war, machte kehrt, rannte zu ihnen und war mit einem Satz im Boot. Lord Holden stieß sie ab und schaffte es, sich wenig elegant an Bord zu ziehen, ohne allzu nass zu werden. Sofort setzte er sich auf den Boden und klammerte sich rechts und links fest, als gehe es um sein Leben. Derweil ließ Goliath sich im hinteren Teil zu Helens Füßen nieder.
„Na, ist das nicht herrlich?“ Seufzend strahlte sie Lord Holden an, der auf das vorbeiplätschernde Wasser starrte und schluckte.
„Hm“, brummte er und schaute missmutig von ihr zu den Riemen im Boot, denn just schien ihm aufzugehen, dass von ihm erwartet wurde, sie umherzurudern. Er hob eines der Ruder auf, begutachtete es kurz und legte es in die Dolle. Das Gleiche tat er auch mit dem zweiten, ehe er sich ungeschickt daran versuchte, das Boot von der Stelle zu bewegen. Es war nicht zu übersehen, dass er noch nie zuvor gerudert war, doch das bekümmerte Helen nicht. Die Strömung hier war nicht sehr stark und somit würden sie nicht weit abgetrieben werden. Dieser Abschnitt des Flusses war zwar breit, aber nur flach, und das Wasser floss behäbig dahin. Natürlich würde sie Lord Holden dies nicht verraten. Sie würde kaum ihr Spiel mit seiner Furcht treiben können, wenn er wusste, dass sie sich im Grunde nur auf einer großen Pfütze befanden -zumindest im Vergleich zu den tieferen, rascher dahinströmenden Flüssen dieser Gegend.
Helen neigte sich ein wenig zur Seite und ließ die Finger durchs Wasser gleiten. Sie war schon oft mit Goliath hergekommen, war jedoch kaum einmal mit dem Boot hinausgefahren. Nun fragte sie sich, warum sie so selten davon Gebrauch gemacht hatte. Der Kahn gehörte niemandem und somit jedem. Er lag bereits hier, solange sie denken konnte, und diente als behelfsmäßige Fähre für jeden, der einen direkten Weg über den Fluss suchte - vorausgesetzt, das Boot befand sich gerade auf der richtigen Seite.
„Vielleicht solltet Ihr Euch besser nicht so weit hinauslehnen“, sagte Lord Holden plötzlich und zog damit Helens Blick auf
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