Im Bett mit Brad Pitt
die ausgerechnet diese Zeitungsausgabe lesen,
ist doch wohl mehr als gering, nicht wahr? Kein Grund also, deswegen gleich in
Panik zu verfallen.
Ich stehe auf und zupfe meine Kleidung gerade, dann machen wir uns
auf den Weg zu den Aufzügen. Auf halber Strecke kommen uns zwei Teenager
entgegen, und kaum haben sie mich erblickt, kreischt die eine los: »Ich werd’
verrückt, das ist die Schlampe, die mit Brad Pitt vögelt!«
Mich durchläuft es siedend heiß, als sie ein Star
Magazine aus ihrer Tasche zieht, und ich beschleunige meine Schritte.
»Von wegen, hier kennt mich keiner!«, zische ich Emma beschämt zu.
»Das war bestimmt nur Zufall, Lilly, nichts weiter«, versichert sie
mir, gleichzeitig jedoch widerlegt sie ihre eigenen Worte, indem sie panisch
auf die Holentaste am Lift hämmert und sich gehetzt umsieht. »Mach schon, mach
schon! Verdammte Lifte! Nie sind sie da, wenn man mal einen braucht!«
Die beiden Teenager haben die Köpfe zusammengesteckt und tuscheln,
und entsetzt sehe ich, wie die eine jetzt ihr Handy zückt und anscheinend die
Kamera bereit macht, um ein Foto von mir zu schießen.
Da, der Lift. Endlich! Die Türen gleiten mit lähmender Langsamkeit
auseinander, und Emma und ich pressen uns gleichzeitig hinein, bevor sie noch
ganz offen sind. Emma drischt wieder auf die Tastatur ein, und die Türen
beginnen sich zu schließen, als von draußen plötzlich ein scharfes Kommando
ertönt.
O nein, bitte nicht! Das kann doch nur mir gegolten haben. Ich ziehe
ganz automatisch den Kopf ein, dann sehe ich einen Fuß, der sich zwischen die
Türen schiebt, sodass diese wieder aufgehen.
Ich kann fast nicht hinsehen, und dann erkenne ich – einen
freundlich lächelnden Japaner, der ein leuchtendes Jediritter-Plastikschwert in
die Höhe hält, damit ihn seine Reisegruppe, die sich unmittelbar hinter ihm
befindet, nicht aus den Augen verliert.
Ich atme erleichtert aus. Es sind bloß Japaner. Gott sei Dank.
Japaner sind gut. Japaner sind freundliche Menschen, die sich nur für Kultur
interessieren, die lesen keine billigen Ramschblätter, in denen gemeine Lügen
verbreitet werden. Wie zur Bestätigung beweisen sie auch gleich ihre Kultiviertheit,
indem sie sich höflich verbeugen, als sie den Lift betreten, und Emma und ich
erwidern den Gruß.
Als sich die Türen endlich schließen und der Lift sich abwärts in
Bewegung setzt, fällt mir ein riesengroßer Stein vom Herzen. Ich zwinkere Emma
erleichtert zu, und der japanische Reiseführer schnattert munter drauflos. Nach
ein paar Sätzen lacht er sein typisch tiefes japanisches Lachen: »Hahaha!«, und
die anderen stimmen mit ein. Dann lächelt er auf einmal mich an, redet weiter,
und wieder kommt: »Hahaha!«
Das ist ja mal ein lustiges Trüppchen. Sag ich doch, Asiaten sind
die freundlicheren Menschen. Ich stimme als Zeichen der Völkerverbindung mit in
ihr Lachen ein, und jetzt strahlen mich alle an.
Dann deutet der Reiseführer auf meine Füße, und ich meine zwischen
seinen kehligen Lauten auf einmal den Namen Brad Pitt herauszuhören. Plötzlich reißen alle die Augen auf und schlagen sich verschämt
die Hände vor dem Mund. Dann brüllen sie auf einmal los, und in ihren Augen
spiegelt sich eine Mischung aus Sensationsgier, scheuer Bewunderung und auch
Verachtung wider.
»Nanu, was haben die denn?«, fragt Emma erstaunt.
»Na, was wohl, Emma?«, sage ich verbittert. »Dieser kleine Bastard
da liest amerikanischen Boulevard, was sonst?« Ich nicke dem Reiseführer zu. »Star Magazine?«
Er nickt begeistert und reißt eine Ausgabe davon aus seiner
Umhängetasche. »Gute Zeitung«, sagt er in gebrochenem Englisch und hält mir das
verdammte Käseblatt unter die Nase. Dann reicht er einen Filzschreiber nach und
strahlt mich an. »Du jetzt berühmte Frau, geben Autogramm für mich?«
15
Man kann es ja auch positiv sehen. Die halbe Menschheit
träumt davon, es eines Tages auf die Titelseite einer Zeitschrift wie das Star Magazine zu schaffen, und mir ist das gelungen. Noch
dazu an der Seite eines Halbgottes wie Brad Pitt!
Wobei es natürlich besser gewesen wäre, wenn da nicht so Sachen wie
»perverse Sexspiele« und so gestanden hätten … und dann erst die
Ausführungen im Artikel selbst …
Okay, das war megapeinlich, ich geb’s zu. Wozu lange um den heißen
Brei herumreden?
Aber Emma hat recht. Es ist nur ein Artikel, nichts weiter. Tag für
Tag werden Millionen von Artikeln in Millionen von Zeitschriften abgedruckt,
wen sollte es
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