Im Bett mit
Szenen auf Zettel zu notieren, die überall in der Werkstatt herumlagen. Nun war für die jungen Brautleute eine geräumige Stube eingerichtet worden, in deren Mittelpunkt das breite, mit einem baldachinartigen Oberteil versehene Ehebett stand, das rundum mit schweren Wintervorhängen bestückt war. Schränke und Truhen waren schon mit Annes Kleidern und sonstigen Habseligkeiten gefüllt, und die Stube zur Feier des Tages mit grünen Girlanden geschmückt. William, von seinen Freunden geleitet, hatte das Gefühl, nun nie wieder für sich allein sein zu können. Der Anblick seiner Braut, die ihn lächelnd, mit offenem Haar und einem Nachthemd aus feinstem Batist schon im Bett erwartete, konnte ihn nicht aufheitern. An einem süß duftenden Maitag auf einer Sommerwiese oder im grünen Verlies eines Ufergestrüpps ein williges Mädchen im Arm zu halten, war schließlich etwas anderes, als in einer kalten und nebeligen Novembernacht zu einer Frau ins Brautbett steigen zu müssen, die ihm mehr oder weniger von seiner vorwitzigen Begierde beschert worden war. Wie viele Männer in einer ähnlichen Situation, war vermutlich auch Willie der Ansicht, seine Braut habe ihn mit Absicht hereingelegt, und diese Vorstellung erfüllte ihn wohl mit einem unterschwelligen, aber dauerhaften Groll gegen seine junge Frau. Die ihrerseits nahm ihm übel, dass er nach Feierabend lieber mit seinen gleichaltrigen Freunden im Wirtshaus saß und auch sonst jede Gelegenheit wahrnahm, sich ihrer Gesellschaft zu entziehen.
Das Beste, was man von dieser Ehe sagen kann, ist, dass das Paar nebeneinander her lebte, ohne einander zu verstehen. Anne war in der Familie ihres Gatten zweifellos wohlgelitten, denn sie war eine ordnungsliebende Frau, die sich aufs Haushalten verstand und von Kindesbeinen an gewohnt war zuzupacken, wo es nottat. Da sie aber überhaupt nicht verstand, was im Kopf ihres Mannes vorging, hatten die beiden kaum Gesprächsstoff, wenn sie des Abends allein waren. Sobald sie sich in der Abgeschiedenheit ihres Bettes als Mann und Frau gegenübersaßen, hatten sie sich nur wenig zu sagen. Dies umso mehr, als durch die fortgeschrittene Schwangerschaft auch die sexuelle Anziehungskraft des Weibes nicht ausreichte, um den Mann hinreichend zu fesseln. So kam es, dass Willie sich verzweifelt fortsehnte aus seinem ungeliebten Ehebett und dessen Enge, hinaus in die große weite Welt, die London hieß und aus der mit den Jahren immer öfter lockende Botschaft kam. Zwar liebt er seine Kinder, die quirlige Susanna, seine Erstgeborene, und auch später sein Liebling für immer, und die jüngeren Zwillinge, Hamnet, den Sohn, der das Schicksal so vieler Kinder in jener Zeit erfährt und viel zu früh stirbt, und dessen Schwester Judith; doch bringt ihn die Liebe zu seinen Kindern nicht dazu, sich in seiner Rolle als Familienvater wirklich zuhause zu fühlen.
Einer seiner Freunde war nach London gegangen und hatte dort die Witwe seines Prinzipals geehelicht, bei dem er das Druckerhandwerk erlernt hatte. Dort, in der Offizin, wurde viel Dramatisches gedruckt, Theaterzettel und Textbücher, die bei den Aufführungen verkauft wurden. Manches davon mag Willie wohl ins Haus geflattert sein. Er wird selbst viel geschrieben haben in diesen stillen Jahren, die seine Biografen später »the lost years« nennen werden, Gedichte, Skizzen zu dramatischen Szenen, Stimmungen. Auch liebte er die Natur und war ihr ein genauer Beobachter. Später sollten immer wieder die lieblichen Bilder der Landschaft um Stratford und das stille beschauliche Leben im Ablauf der Jahreszeiten in seine unvergleichlichen Verse einfließen. Aber er sah auch das harte Leben der Bauern und der schwer arbeitenden Handwerker, die sich ihr Leben lang abmühen mussten. Shakespeare war kein Idealist, und in den reifen Jahren seines Schaffens zeichnete er die Charaktere seiner dramatischen Figuren, wie er sie in seinen stillen Lehrjahren kennengelernt hatte. Einstweilen aber träumte er verzweifelt von einem Später, in dem sich seine geheimen Wünsche vielleicht doch noch erfüllen würden.
Endlich, im Lauf des Jahres 1587, war es dann doch so weit. Er ließ Frau und Kinder in der Obhut seines Vaters – und wohl auch in dessen materieller Verantwortung – und tauchte ein in die unruhig pulsierende, stinkende und doch so faszinierende Weltstadt London.
Freilich, alles hat seine zwei Seiten. Und der Umstand, dass er nun endlich, so viel er nur wollte, an seiner heiß begehrten Theaterluft
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