Im Bett mit
Kind tiefen Eindruck und beeinflusste – auch im Zusammenhang mit seinem ambivalenten Verhältnis zu seiner Mutter, die »nie mit ihm sprach« – seine spätere Beziehung zum weiblichen Geschlecht. Mag sein, dass er in jeder Frau, die seinen Weg kreuzte, die geheimnisvolle und gütige Fee suchte, die ihm seine Mutter nie sein konnte.
Sei dem wie immer, das Ritual der Strega von Murano hatte Erfolg: Von nun an holte Giacomo rasch alles auf, was er in den ersten Jahren seines Lebens versäumt hatte. Auch später meinte es das Schicksal gut mit dem Jungen, der zeitweise als Violinist sein Brot verdiente. Durch einen für ihn glücklichen Umstand gewann er die Protektion eines venezianischen Senators, Matteo Giovanni Bragadin, dem er durch seine geschickte medizinische Intervention das Leben rettete, als dieser während einer Gondelfahrt einen Schlaganfall erlitt. Der dankbare Mann nahm ihn darauf wie einen Sohn in seinen Haushalt auf, was Casanova später zu der Bemerkung veranlasste: »Das, mein lieber Leser, ist die ganze Geschichte meiner Metamorphose und der glücklichen Zeit, in der ich zum Stand eines vornehmen Herrn aufstieg.« Er hatte sich damit, so jung er auch sein mochte, den Ruf eines hervorragenden Arztes gesichert.
Am spektakulärsten freilich war seine dritte »Geburt«, als ihm die Flucht aus den Bleikammern des Dogenpalasts gelang. Er war, mit knapp 21 Jahren, ein Opfer des Spitzelwesens der Serenissima geworden. Auf anonyme Anschuldigungen hin war er an dem unheilschwangeren Ort, der unzähligen Opfern den Tod brachte, eingekerkert worden, doch Optimist, der er war, gab er die Hoffnung nicht auf, seinem Schicksal zu entkommen. Tatsächlich gelang ihm nach einem knappen Jahr die Flucht aus dem berüchtigten Gefängnis. Dadurch wurde er mit einem Schlag zu einer europäischen Berühmtheit, denn bisher war es noch keinem gelungen, den Bleikammern zu entrinnen. Alle Welt wollte mehr über die Einzelheiten des spektakulären Ausbruchs wissen, und Casanova appellierte mit seinen Ausführungen zu diesem Thema nicht selten an das Mitgefühl der empfindsamen Damenwelt, die ihn, zum Trost für die erlittenen Qualen, nur zu bereitwillig in ihre Betten aufnahm.
Casanovas Liebe zu den Frauen kannte keine Grenzen. Ständig war er in ein weibliches Wesen verliebt – und manchmal waren es auch zwei Liebschaften nebeneinander, weil er sich nicht entscheiden konnte, welcher er den Vorzug geben sollte. Und weil er ständig unterwegs war, fand sich Casanovas Bett allerorten: in Gasthöfen, wo er in einem Gemeinschaftsschlafraum die erstbeste Gelegenheit benützte, um ins Bett einer durchreisenden Schönheit zu schlüpfen, auf einsamen Landsitzen, wo er Gastfreundschaft genoss und von der liebenswürdigen Hausherrin in Abwesenheit ihres Gatten eingeladen wurde, ihre Schlafstatt mit ihr zu teilen. Casanova nahm solche Angebote bereitwillig an, war dabei aber stets bemüht, seine jeweilige Partnerin auch glücklich zu machen. Er genoss die Liebe, wo sie sich ihm bot, und als glücklicher Italiener empfand er dabei keine Gewissensbisse. Zu Unrecht wurde er oft mit dem anderen großen Frauenverführer, dem düsteren Spanier Don Juan, verglichen, doch dem ging es lediglich um die Eroberung der Frauen; war diese geglückt, verlor er wie im Fall der unglücklichen Donna Elvira jedes Interesse an ihr. Casanova hingegen ging es um das gemeinsame kurze Glück. »Ich habe die Frauen bis zur Verrücktheit geliebt«, gesteht er in seinen Memoiren, »doch stets liebte ich meine Freiheit mehr.«
Seine verliebten Abenteuer sind legendär. Er berichtet darüber in unzähligen Variationen, geht dabei aber immer sehr diskret vor, indem er, um die beteiligten Damen nicht zu kompromittieren, für sie Decknamen erfindet, um ihre Herkunft zu verschleiern. Es kostete die Historiker, die sich mit seinen Schriften beschäftigten, einige Mühe, die Personen, die sich hinter den fiktiven Namen verbergen, zu enttarnen. Ein gutes Beispiel findet sich in einer Begegnung mit einer Schauspieltruppe, der ein sehr schöner »junger Mann«, Bellino genannt, angehörte. Casanova vermutete instinktiv zu Recht, dass sich hinter »Bellino« ein Mädchen verbarg, das sogleich seine Fantasie in Brand setzte, zumal der angebliche Junge eine wundervolle Sopranstimme sein Eigen nannte. Als er sich endlich als Frau zu erkennen gab, befiel Giacomo ein so heftiges Liebesfeuer, dass er ihr beinahe nach Neapel nachgereist wäre, um sie zu heiraten. Doch wieder
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