Im Bett mit
Familienmitglieder handelte. Dieses Tabu wurde nur zu ganz bestimmten Gelegenheiten durchbrochen. So empfing zum Beispiel eine Wöchnerin ihre Gäste im Bett, um ihnen Gelegenheit zu geben, ihr Neugeborenes in der Wiege zu bewundern. Und auch nach dem Tod eines Gatten fanden sich die Trauergäste am Bett der Witwe ein. Dann war das gesamte Schlafzimmer schwarz drapiert. Noch zu Mozarts Zeit war es üblich, dass die Witwe nicht selbst am Leichenbegängnis teilnahm, sondern die Beileidsbezeugungen der Trauergäste im schwarz verhangenen Bett entgegennahm.
Und auch beim Sterben hatte das Bett eine wichtige Repräsentationsrolle inne: Feierlich auf einem schwarzen, mit Blumen und brennenden Kerzen geschmückten Totenbett im Schlafzimmer aufgebahrt, erhielt der Verstorbene, in seinem besten Feiertagsstaat, sozusagen die letzten Besuche von Freunden und Anverwandten, während die engste Familie bei ihm Wache hielt und für seinen »glücklichen Heimgang« betete.
Wer es sich leisten konnte, hatte ein eigenes Totenbett für derartige Anlässe. Es gab aber auch Bestattungsunternehmen, die Trauerbetten für solche Hausaufbahrungen verliehen.
Den Betten-Pomp der Lebenden jedenfalls fegte der Sturm der Französischen Revolution hinweg. Die berühmtesten Betten der Zeit wurden in Paris von einem wütenden Mob auf die Straße geworfen und zerhackt oder angezündet, wenn es nicht besonnenen Bürgern gelang, sie zu retten, um sie einem mehr oder weniger schwungvollen Handel zuzuführen.
Casanova – Herr über hundert Betten
Ein alter, kränkelnder Herr sitzt in einem Gemach mit schönem Deckengewölbe auf Schloss Waldstein im nordböhmischen Provinzstädtchen Dux (dem heutigen Duchcov) und schreibt tagaus, tagein an seinen Memoiren. Sechzehn Bände werden es am Ende sein, und sie beleuchten alle Facetten des 18. Jahrhunderts – seines Jahrhunderts. Denn Giacomo Casanova, der sich auch Chevalier de Seingalt nennt, verkörpert mehr als alle anderen Persönlichkeiten dieser Epoche das sogenannte Galante Zeitalter. Ja, er ist in gewisser Weise seine personifizierte Quintessenz, ist Abenteurer, Gelehrter, eleganter Gesellschafter, geheimnisumwitterter Spion, geistreicher Literat, skrupelloser Schwindler, mysteriöser Freimaurer, vor allem aber Frauenverführer. In all seinen Abenteuern geht es immer wieder um das Bett, oder vielmehr um die vielen Betten, in denen er seine lust- und leidvollen Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Vertreterinnen des »ebenso schönen wie mitleidlosen Geschlechts« gesammelt hat. Infolge der vielen Brüche in seiner Lebensgeschichte kann er mit Recht von sich sagen, er sei mehrmals in seinem Leben geboren worden.
Reden wir also zunächst von seiner ersten, der realen Geburt. Offiziell sind seine Eltern Schauspieler. Später, in seinen Memoiren, deutet er an, er sei der »natürliche Sohn« eines Venezianer Edelmannes, Michele Grimani. Die Mutter des illegitimen Sprösslings wurde verheiratet, um den Skandal zu vertuschen, der sich daraus ergeben hätte. Als das Paar nach London ging, wo die Mutter später als Sängerin Triumphe feierte, überließen sie das schwächliche Kind seiner Großmutter Marzia. Die späteren Begegnungen mit seiner Mutter sind spärlich. Auch die Kontakte mit seinen jüngeren Geschwistern zeugen nicht gerade von einem regen Familienleben. Der Vater starb früh. Giacomo hatte ihn kaum gekannt. Über seine Mutter wird er später sagen: »Ich kannte nur ihre Schönheit und ihre Abwesenheit.« Der kleine Giacomo war ein kränkliches Kind, das oft an Nasenbluten und wohl auch an psychischen Entwicklungsstörungen litt. Er behauptete, seine ersten Kindheitserinnerungen reichten nur bis zum achten Lebensjahr zurück. In jener Zeit lernte er auch erst lesen und schreiben. Großmutter Marzia, die sich offensichtlich um den zurückgebliebenen Knaben sorgte, tat zwar alles, um seine Entwicklung zu fördern, hatte darin aber wenig Erfolg. Schließlich suchte sie mit ihm eine Strega, eine Heilzauberin, auf. Die steckte den Knaben in eine Kiste und trieb draußen allerlei Hokuspokus, der bei Giacomo eine Art von heilsamem Schock bewirkte. Als er die Kiste wieder verlassen durfte, wurde er liebkost und mit Süßigkeiten verwöhnt. Auch wurde ihm eingeredet, eine schöne und gütige Fee werde ihm in der Nacht erscheinen und ihn mit einem Kuss heilen; doch dürfe er mit niemand darüber reden, sonst würde er all sein Blut verlieren und sterben.
Zweifellos machte dieses Erlebnis auf das
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